Full text: Praktisches Lehrbuch der Alten Geschichte

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Hirten, ja Schweinehirten (jedenfalls Urbewohner) waren so verachtet, 
daß sie nicht einmal einen Tempel betreten dursten. 
Da nicht alle Bewohner in der Landwirtschaft Beschäftigung fanden, 
entstanden schon früh allerhand Handwerke. Die Weber verfertigten 
kostbare Teppiche und prachtvolle Gewänder (die weiße Seide Josephs); 
auch verstand man, Ton, Glas, Holz, Leder, Elfenbein, Edelsteine, Bronze, 
Silber und Gold kunstvoll zu bearbeiten. Ans den zähen Fasern der 
Papierstaude gewann man Papier, Taue und selbst Kleider. Der Ml 
samt den schiffbaren Kanälen war von Segelschiffen belebt. Selbst vom 
Nil bis zum Roten Meere gab es lange Zeit eine künstliche schiffbare 
Wasserstraße, doch ließ mau sie später versanden, weil die Priester behaup¬ 
teten, sie käme nur den Unreinen, den Fremden zugute. Handel 
hat man schon seit den ältesten Zeiten getrieben. Karawanen, die sich 
des Esels (nicht des Kamels), später der Ochsen- und Pferdewagen 
bedienten, vermittelten den Warenaustausch, bei dem man nur Ware 
gegen Ware austauschte. Den Außen- und Zwischenhandel besorgten 
in früher Zeit vorwiegend die Phönizier, denn die Ägypter haßten das 
offene Meer, das sie für den Wohnsitz des bösen Gottes (Typhon) hielten; 
auch fehlte es ihnen an Holz zum Bau der Schiffe. Da es an Metallen, 
Fellen, Elfenbein,Holz,Wein, Ol,Weihrauch, Myrrhen, Sklaven (Joseph) 
und Sklavinnen fehlte, erhandelte man diese Waren von den Phöniziern, 
Kanaanäern, Arabern, Indern, Nubiern und andern Völkern. Ihnen 
lieferte man Waffen, Getreide, Hülsenfrüchte, Gewebe und andere Er¬ 
zeugnisse. Dolmetscher vermittelten den Verkehr mit den Ausländern. 
Über den Gliedern des Nährstandes, den Hirten, Viehzüchtern, Acker¬ 
bauern und Handwerkern, standen die Krieger und Priester, 
die den gesamten Grund und Boden besaßen und als Grundherren hohe 
Abgaben von ihren Pächtern, den Bauern, verlangten. Als vornehmste 
und mächtigste Klassen bildeten sie die Herrscherkaste und hatten die Ver¬ 
waltung in den Händen. Die Priester waren nicht bloß Seelsorger, 
sondern auch Gelehrte, Ärzte, Richter, Räte, hohe Beamte und Bau¬ 
meister; sie trieben die Sternkunde, um die Zeit einzuteilen, die Mond- 
und Sonnenfinsternisse im voraus zu berechnen und den Eintritt der Nil¬ 
überschwemmungen anzukündigen. Sie widmeten sich auch der Feld- 
meßkunst, um die Grenzen der Äcker, die durch den ausgeschwemmten 
Schlamm vielfach ganz verwischt worden waren, wieder bestimmen zu 
können. Sie allein waren die Schreiber und verstanden allein die heilige 
Bilderschrift oder Hieroglyphenschrift. Wir bezeichnen die ein¬ 
zelnen Laute der Wörter durch besondere Lautzeichen oder Buchstaben, 
weshalb wir eine Lautschrift haben. Die alten Ägypter aber hatten 
eine Wortschrift und bezeichneten das Wort durch das Bild des Dinges, 
das Wort Löwe also durch ein Bild des Löwen, das Wort Sonne durch 
eine Sonnenscheibe usw. Natürlich ließen sich dadurch nur wirkliche, 
sichtbare Dinge schreiben, durch die Bilderschrift bezeichnen. Da sich 
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