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hieß Krösus und war der Schwager von Astyages. Sein Reich hatte er
durch siegreiche Kriege weit ausgedehnt. Dazu war er im Besitze großer
Schätze; namentlich besaß er sehr viel Gold. Einst hatte ihn der weise
Solon aus Athen besucht. Ihm zeigte Krösus alle seine Schätze und
fragte ihn dann: „Wen hältst du für den Glücklichsten unter den Menschen?"
Solon antwortete: „Den Athener Tellus. weil er wohlgeratene Söhne
und Enkel gehabt hat und nach einem glücklichen Leben im Kampfe für
sein Vaterland gefallen ist." „Wen hältst du nach ihm für den Glücklichsten?"
fragte Krösus begierig. Solon nannte jetzt die beiden Brüder Kleobis
und Biton. „Ihre Mutter war eine Priesterin. Als sie einst in den
Tempel fahren wollte, blieben die Stiere aus. Da spannten sich ihre
Söhne vor den Wagen und zogen ihn in den Tempel. Die beglückte
Mutter bat die Götter, ihren Söhnen das Beste zu schenken, was es für
den Menschen gäbe. Da entschliefen die beiden Söhne und erwachten
nicht wieder." Unwillig rief jetzt Krösus aus: „Achtest du mich und meine
Schätze für nichts?" Ruhig uud gelassen entgegnete Solon: „Niemand
ist vor seinem Tode glücklich zu preisen". Das sollte Krösus bald erfahren.
Ehe er den Krieg gegen Cyrus begann, ließ er das Orakel zu Delphi
fragen, ob fein Angriff glücken werde. Die schlauen Priester antworteten:
„Wenn Krösus über den Grenzfluß Halys geht, wird er ein großes Reich
zerstören". Im Vertrauen auf diese Weissagung rückte Krösus gegen
Cyrus; aber die Bundesgenossen blieben aus. Deshalb wich er vor dem
persischen Heere zurück. Cyrus zog vor die Hauptstadt Sardes und
nahm sie ein. Selbst die Burg siel durch Verrat in seine Hände. Da¬
mit hatte er sich Lydiens und des Krösus bemächtigt. Der Sage ttatih
hatte Cyrus den gefangenen Krösus zum Feuertode verurteilt. Auf
dem Scheiterhaufen rief Krösus bestürzt aus: „O Solon, Solon, Solon!"
Als Cyrus das hörte, ließ er Krösus vor sich führen und fragte ihn,
was diese Worte bedeuten sollten. Da erzählte Krösus wehmütig sein
Gespräch mit Solon. Cyrus ward dadurch gerührt und schenkte dem
Krösus das Leben und behielt ihn als Freund und Berater bei sichx).
Hierauf wandte sich Cyrus gegen Babylon. Die Babylonier wehrten
sich nicht tapfer. Ihr König Nabonned war kein Kriegsheld und verließ
sich mehr auf seine Götter als auf die Schwerter. So brachte Cyrus bald
Babylon in seine Gewalt und machte das neubabylonische Reich zu einer
persischen Provinz. Als kluger Fürst schonte er die schöne Stadt und
behandelte die Babylonier mild, die ihn deshalb auch mit Freuden als
ihren Herrscher begrüßten. Den Juden erlaubte er, in ihre Heimat
zurückzukehren. 536 zogen etwa 42000 Juden nach Jerusalem und
begannen den Tempel und die Manem zu erbauen. In einem Kriege
1) In Wirklichkeit wollte sich Krösus wie Sardanapal nach der Sitte der
semitischen Könige samt seinen Weibern und Schätzen auf einem Scheiterhaufen
verbrennen. Persische Krieger aber ergriffen ihn lebend, und Cyrus begnadigte
ihn. Die Sage stellt der Großmut des Cyrus ein ehrendes Zeugnis aus.