Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst. §.' 9. 27
rischen Landvolkes als ungenügend erwiesen hatte, so legte er den ersten
Grund zum stehenden Heere (aus geworbenen Leuten), dessen allmäh¬
liche Vermehrung und Vervollkommnung in jeder Waffengattung seinen
von der Westgrenze Deutschlands bis weit über dessen Ostgrenze zer¬
stückelten Staat sicherte. Die Verfügung über die Mittel zum Unterhalte
des Heeres behielt sich der Kurfürst nicht ohne Widerspruch der Stände
vor. Das verwüstete Land suchte er durch einheimische und fremde An¬
siedler anzubauen (Aufnahme der aus Frankreich schon seit 1672, in
größerer Masse aber seit der Aufhebung des Edictes von Nantes 1685
geflüchteten Hugenotten)1), den Ertrag der Domainen durch verbesserte
Wirthschaft zu erhöhen. Zur Förderung des Handels ward der Friedrich-
Wilhelms-Canal angelegt, welcher eine Verbindung der Oder mit der
Spree, folglich auch mit der Havel und der Elbe herstellte (als Ersatz
für die nicht erhaltenen Odermündungen), sogar Niederlassungen an der
Küste von Guinea (wo die kleine Festung Großfriedrichsburg angelegt
wurde) und auf zwei afrikanischen Inseln versucht, welche aber fort¬
währende Geldunterstützungen erforderten und deshalb von dem sparsamen
Könige Friedrich Wilhelm I. an die Holländer (1720) verkauft wurden.
Als Gegengewicht gegen den von Pfalz-Neuburg am Ntederrheine ge¬
pflegten Katholicismus gründete der Kurfürst eine reformirte Universität
in Duisburg am Rhein.
12. Friedrich III., als Kurfürst 1688—1701. Als die Fran¬
zosen bet Eröffnung ihres dritten Raubkrieges gegen Deutschland
auch bie Cleve'fchen Besitzungen bes Kurfürsten gebranbschatzt hatten,
trat biefer mit bem Kaiser, Spanien, Holland», England in ein
Bünbniß gegen Ludwig XIV. unb übernahm ben Oberbefehl über
ein Heer am Nieberrhein. Er eroberte bie von ben Franzosen be¬
setzten Plätze Kaiserswerth unb Bonn (nach harter Belagerung).
Auch leistete er bem Kaiser Hülfe gegen bie Türken, damit dieser,
so verstärkt, an keinen Frieden mit Frankreich zu denken brauche.
Die brandenburgischen Truppen nahmen rühmlichen Antheil an ben
Siegen bei Salankemen unb später bei Zenta. Brandenburg erhielt
zwar im Frieben zu Ryswick keine territorialen Vortheile, hatte aber
nun neben seiner deutschen Stellung auch eine europäische erlangt.
’) Beheim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Colonisationen. Ein Beitrag
zur Geschichte des preußischen Staates und der Colonisation des östlichen
Deutschlands, 1874. Der Verf. sagt: „In Berlin ward der Zuwachs von etwa
6000 Franzosen für den ganzen Geist der Bevölkerung von großem Einfluß.
Durch die Vermischung märkischer Biederkeit und Trägheit mit französischer Leb¬
haftigkeit wurde die gutmüthige Pfiffigkeit, der allzeit schlagfertige Witz mit
Derbheit des Wesens, kurz das ganze jetzige Berlinerthum mit seinen Vorzügen
und Fehlern herangebildet."