— 231 —
die Wohnung des Erzbischofs. Alle Bemühungen der Mutter,
ihren Sohn wieder zu erhalten, waren vergeblich. Hanno machte
sich nun zum Vormund des königlichen Knaben und erzog ihn
mit größter Strenge. Doch nach einigen Jahren gelang es einem
Andern, der Reichsverwaltung sich zu bemächtigen. Das war der
Erzbischof Adalbert von Bremen, der nun Heinrichs weitere
Erziehung übernahm. Ganz verschieden von dem harten, finsteren
Hanno, ließ er seinem Zögling freien Willen und gab seinen Be¬
gierden und Leidenschaften freien Spielraum. Diese Behandlung
hatte sehr verderbliche Folgen: Heinrich lernte nicht sich selbst be¬
herrschen, wurde leichtsinnig und hochmüthig und glaubte, wenn er
nun selbst die Regierung antrete, ganz nach Willkür und Laune
herrschen zu dürfen.
2. Heinrich IV. und die Sachsen. — Als er, erst
15 Jahre alt, sür mündig erklärt war, trat er sogleich als stolzer,
üppiger Herrscher auf. Insbesondere drückte er den Stamm der
Sachsen, welche ihm sein Erzieher Adalbert als ein trotziges,
widerspenstiges Volk geschildert hatte. Allenthalben in ihrem
Lande legte er Burgen an und besetzte sie mit seinen Dienstleuten,
um durch sie das Volk desto besser zügeln zu können. Von den
Burgen aus durchstreiften die rohen Kriegsknechte das umliegende
Land, trieben die Heerden weg, erpreßten in des Königs Namen
schwere Abgaben und zwangen die freien Männer zu harten
Frondiensten bei dem Schlösserbau. Von Heinrich selbst erzählte
man sich, er habe einst von einem Berge herabschauend ausge¬
rufen: „Sachsen ist ein schönes Land, aber seine Bewohner sind
nichtswürdige Knechte". Das bedrängte Volk klagte laut über die
harte Behandlung; aber seine Beschwerden fanden kein Gehör.
3. Der Sachsen krieg. — Da kam es zum offenen
Aufstand: ein Haufe von 60,000 Sachsen rückte plötzlich mit den
Waffen in der Hand gegen die Harz bürg an, wo Heinrich sich
eben aushielt. Nur schleimige Flucht konnte den geängstigten
König retten. Bei Nacht und Nebel entwich er aus der Burg,
irrte mehrere Tage lang ohne Obdach mit wenigen Dienern durch
Wald und Gebirge und gelangte erst am Rheine in Sicherheit.