Full text: Leitfaden für den Geschichts-Unterricht in Mittelschulen und den unteren Klassen höherer Lehranstalten

6. Konstantin der Große. Sieg des Christenthnms über das Heidenthnm. 127 
Welt hingab und aus einer Sünde in die andere siel, und oft flehte 
sie weinend den Herrn an, ihn aus deu rechten Weg zu führen 
oder ihn hinwegzunehmen von der Erde. Und der Sohn so vieler 
Gebete und Thränen sollte nicht verloren gehen. In Mailand, 
wohin er sich von Karthago aus begab, lernte Augustinus den Ambro¬ 
sius kennen, und die ernsten Mahnungen des heiligen Mannes 
drangen mächtig zu feinem Herzen. Mit Eifer las er die Bibel, 
insbesondere die Paulinischen Briefe, und schon begann die Erkennt¬ 
niß der Wahrheit bei ihm zum Durchbruch zu kommen, als ein 
ehrwürdiger Greis ihm erzählte, wie einige gelehrte und vornehme 
Heiden Ehre und Reichthum dahingegeben hätten, um Christo zu 
dienen. Da ries er einem anwesenden Freunde zu: „Andere reißen 
das Himmelreich an sich, und wir bleiben zurück!" — und das 
Wunder feiner Bekehrung war vollbracht. Er ließ sich taufen, 
kehrte später nach Afrika heim und wurde zuerst zum Presbyter, 
bann zum Bischof von Hippo (Bona) erwählt. Von da an war 
feine ganze Kraft der Sache Christi geweiht. Fünfunddreißig Jahre 
lang beherrschte Augustinus durch die Macht seines Geistes die 
afrikanische Kirche, bis er im Sommer 430 in der genannten, da-430 
mals von den Vandalen belagerten Stadt, unter Bußpsalmen ver¬ 
schied. Von feinen zahlreichen Schriften, die sämmtlich einen un¬ 
absehbaren Reichthum geistigen Lebens, eine tiefe Kenntniß des 
menschlichen Herzens und eine Alles bewältigende Liebe zu Gott 
enthalten, sind am berühmtesten feine „Bekenntnisse", worin er mit 
der Selbstverleugnung eines Heiligen seine ganze innere Vergangen¬ 
heit unverhüllt darlegt. Durch seine Ansicht, daß der Wille des 
Menschen von Natur unfrei sei und seine Bekehrung einzig von der 
Gnade Gottes abhänge, wurde er der Begründer "der Lehre von 
der Erbsünde und von _bcr Gnadenwahl, nach welcher bie Einen 
von Ewigkeit her zur Seligkeit, bie Andern zur Verbcimmuiß be¬ 
stimmt finb. 
X. Die Völkerwanderung. 
1. Alarich und die Weftgothcn. 
Im Jahre 375 erschienen an ben Usern der Wolga die Hunnen, 375 
ein Hirtenvolk mongolischer Abkunft, das feit unvordenklichen Zeiten 
im Hochlande des Altai gewohnt. Sie stießen zuerst auf die 
Alanen, bic theils zur Flucht, theils zur Unterwerfung genöthigt 
wurden. Mit Unruhe und Schrecken blickten die zwischen Don 
und Dniestr wohnenden Ost.qothcn auf deu furchtbaren Feind, und 
ihr mehr als hundertjähriger König Hcrmanarich gab sich, au ■ 
bem glücklichen Ausgange des bevorstehendere Kampfes verzweifelnd,
	        
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