Full text: Leitfaden für den Geschichts-Unterricht in Mittelschulen und den unteren Klassen höherer Lehranstalten

128 X. Die Völkerwanderung. 
selbst den Tod. Sein Nachfolger wagte eine Schlacht, sie endete 
mit der Niederlage der Gothen. Der König und die Besten seines 
Heeres bedeckten die Wahlstatt; die Ueberreste retteten sich in die 
Karpathen oder unterwarfen sich den Siegern. Auch die West¬ 
gothen (südlich vom Dniestr) vermochten dem gewaltigen Anprall 
nicht zu widerstehen; ein Stamm zog sich in die Waldungen 
zwischen Pruth und Donau zurück, das Hauptheer unter Fridigern 
ging über den letztgenannten Strom nnd erhielt vom Kaiser Valens 
Wohnsitze in Thraeien. 
Ein Jahr hatten die Gothen hier verlebt, als sie sich, durch 
die treulose Behandlung der römischen Statthalter gereizt, erhoben, 
die Römer in mehreren Schlachten besiegten und dann raubend 
und verheerend die ganze Halbinsel bis an den Hellespont durch¬ 
zogen. Da rückte ihnen Valens mit Heeresmacht entgegen, er- 
378titt aber bei Hadrianopel eine Niederlage, in der er selbst den 
Tod fand. Valens' Nachfolger Theodosius der Große schloß mit 
den Gothen Frieden und überließ ihnen Thraeien, wo sie unter 
ihren Stammfürsten nach eigenen Sitten und Einrichtungen, jedoch 
unter kaiserlicher Oberhoheit lebten. Dafür mußten sie sich ver¬ 
pflichten, 40000 Streiter in den Dienst des römischen Reiches 
zu stellen. 
Vor seinem Ende traf Theodosius die Bestimmung, daß sich seine 
beiden Söhne, der 18jährige Arcadius und der 11jährige Honorius, 
in die Herrschaft des Reiches theilen sollten, und zwar sollte Arca- 
dins das Morgen- und Honorius das Abendland erhalten. 
395Damit war eine Theilung des römischen Reiches auf die Dauer 
vollzogen. Die Jugend der beiden Kaiser machte die Führung der 
Regieruugsgeschäfte durch Andere nöthig, ihre Unfähigkeit konnte 
auch nach erlangter Mündigkeit fremder Leitung nicht entbehren. 
Während Areadius im glänzenden Kaiserpalaste zu Konstantinopel 
der üppigen Ruhe Pflegte, leitete der Gallier Rufinus und nach 
dessen Ermordung Eutropius das Ostreich; im Westen herrschte 
im Namen des Honorius der kriegskundige und staatskluge Vandale 
Stilicho, dem regierenden Hause als Gemahl einer Nichte des 
Theodosius verwandt, und bald nachher auch Schwiegervater des 
Honorius. 
Nur mit Unlust hatten die Gothen das Schwert mit dem 
Pfluge vertauscht. Als ihnen daher nach dem Tode des Theodosius 
die bisher üblichen Geschenke vorenthalten wurden, griffen sie sofort 
zu den Waffen, nm ihren Unterhalt durch Plünderung der reichen 
Provinzen und Städte des Südens zu suchen. An ihrer Spitze 
stand jetzt Alarich aus dem edlen Geschlechte der Balten, ein 
Mann, der einen kühnen, unternehmenden Geist mit Kriegsgeschick 
und kluger Berechnung der Umstände verband. Ohne von den 
Z96mnthlosen Statthaltern Widerstand zu erfahren, trug er die Brand¬ 
fackel des Krieges von der Donau bis unter die Mauern Kon-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.