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wehr. Die gemäßigte und bedenkliche Stimmung des Dictators mißfiel
der aufgeregten Menge. Er sah nämlich voraus, daß drei Millionen
Menschen, abgeschnitten von aller Hülfe, ohne hinreichendes Geschütz und
sonstiges Kriegsmaterial einem Herrscher von acht und vierzig Millionen
und dem geübtesten, mit Geschützmassen reich versehenen Heere unmög¬
lich die Spitze würden bieten können; darum legte er am 18. Januar
1831 seine Stelle nieder. Nach ihm übernahm der Fürst Radziwil den
Oberbefehl des Heeres.
Nachdem der Kaiser die Polen unter Zusicherung seiner Gnade ver¬
gebens zur Unterwerfung aufgefordert hatte, ließ er am 5. Februar 1831
ein großes Heer unter Diebitsch in das Königreich Polen einrücken. Doch
der Polen alte Tapferkeit stralte bei ungleichem Kampfe im verjüngten
Glanze. Am 18., 19. und 20. Februar wurde bei Praga blutig gestrit¬
ten. Im Angesichte der Hauptstadt leisteten die Polen den hartnäckigsten
Widerstand und behaupteten sich fest in ihrer Stellung. Der General
Chlopicki, welcher dem Fürsten Radziwil beigeordnet war, leitete mit
seltener Kaltblütigkeit im heftigsten Feuer den Angriff. An den beiden
folgenden Tagen war Waffenstillstand, um die zahllos gefallenen Opfer
zu beerdigen. Aber es war, als hätte man nur Raum machen wollen
für eine noch blutigere Ernte. Schon am 24. griffen die Russen, durch
frische Truppen verstärkt, von neuem an. Zwei ganze Tage hindurch
wurde wieder mit der äußersten Erbitterung vor den Thoren Warschaus
gekämpft; aber auch dieses Mal ohne entscheidenden Erfolg. Die Polen
verkauften jeden Fußbreit Landes um Blut. Der General Chlopicki
wurde in dieser mörderischen Schlacht schwer verwundet.
Kurz hierauf legte auch der Fürst Radziwil den Oberbefehl nieder,
und der General Skrzynecki trat an seine Stelle. Mehre russische Gene¬
rale, besonders Geismar und Rosen, erlitten empfindliche Niederlagen.
Die Polen aber suchten auch die entfernteren Provinzen, Litthanen,
Volhynien und Podolien, durch dahin gesandte Truppenabtheilungen in
Aufstand zu bringen. Der General Dwernicki drang glücklich nach Vol¬
hynien, aber durch ein kühnes Wagstück seines Unterbefehlshabers Sie-
rawski im Rücken bedroht, blieb ihm nichts übrig, als sich durch die
Flucht auf das österreichische Gebiet zu retten und dort die Waffen nieder¬
zulegen. Skrzynecki selbst übernahm es, Litthauen zu befreien, anfangs
mit glücklichem Erfolge, doch bald darauf von den Russen mit Ueber-
macht angegriffen, entging er nur nach Wundern der Tapferkeit bei O str o-
Welter's Weltgesch. III. 24. Aufl. 22