38 IV. Griechenlands Blüthe und Verfall.
von den Barbaren befreit, und die Helleneil gingen nun selbst zum
Angriff über. Nach mancherlei glücklichen Unternehmungen an
den thracischen uud kleinasiatischen Küsten gewann der
469Athener Cimon, Miltiades' Sohn, den herrlichen Doppelsieg am
Eurymedon (an der Südküste Kleinasiens), wo erst die Flotte und
dann das Landheer der Perser vollständig geschlagen wurde. Die
Folge war die Befreiung der jonischen Städte Kleinasiens vom
persischen Joche und die unbestrittene Herrschaft der Griechen
zur See.
Th emistokles, der sich das meiste Verdienst um sein Vater¬
land erworben, endete in der Verbannung. Des Einverständnisses
mit dem Feinde beschuldigt, floh er Schutz suchend nach Persien,
wo ihn König Artarerxes bereitwillig aufnahm und ihm drei
Städte zu seinem Unterhalt anwies. Als ihn aber dieser auf¬
forderte, bei der Unterwerfung Griechenlands behülflich rn sein,
gab er sich selbst den Tod.
IV. Griechenlands Müthe und Verfall.
1. Geistesleben der Griechen.
Mit dem Emporstreben der griechischen Macht hielt der Auf¬
schwung im geistigen Leben des Volkes gleichen Schritt. Am frühe¬
sten gelangte die Dichtkunst zu hoher Blüthe. Mit Dauk- und
Lobliedern nahte man sich den Altären der Götter, Gesang und
Tonkunst verherrlichten die Festmahle der Könige und erhöhten die
Leichenfeier der Helden. Wandernde Sänger waren an den Höfen
und Palästen der Fürsten und Edlen hochgeehrte und wohlgelittene
Gäste. Allmählich bildeten sich besondere Sängerschulen aus,
die sich nach dem Inhalte ihrer Dichtungen unterschieden und nach
ihren Stiftern benannten. In diesen Kreisen und Genossenschaften
wurden die bereits vorhandenen Dichtungen auswendig gelernt,
der Vortrag geübt, die Regeln, nach denen sie abgefaßt, dem Ge¬
dächtniß eingeprägt und so die festen Formen für neue Schöpfun¬
gen gewonnen.
Unter den ältesten Dichtern wird der vielgefeierte, schon als
Theiluehmer am Argonautenzuge erwähnte Orpheus genannt. Durch
die Macht seiner Töne, denen die Alten die wunderbarsten Wir¬
kungen zuschrieben, zähmte er die verwilderten Gemüther und
pflanzte die Keime der Gesittung in die Brust der Menschen. Aber
„der lieblichste Sänger von allen, der die holdesten Lieder brachte",
1000] war „der blinde Mann von Chios", der „unsterbliche" Homer.
Sieben Städte stritten sich um die Ehre, die Heimath des Dichter-