242 A. Epische Poesie. III. Erzählungen, Balladen, Romanzen.
Fort mit dem Bier! Der Schweizerinnen
150 Kann besser ein Glas Wein vertragen.
Herr Wirt, gebt Wein!" Gesagt, gethan.
„Wohlauf, ihr Jungen! stoßet an!
So lasset denn den Hutten leben,
Mein'thalb den Luther auch daneben,
155 Und kommt nach Wittenberg ihr 'nein,
So grüßet mir Philippum fein
Und Doktor Schürfen, den Juristen,
Samt allen andern guten Christen!"
Die Schweizer sehn den Reitersmann
160 Mit doppelt großen Augen an:
„Nun wird er uns doch sagen müssen,
Von wem wir soll'n die Leute grüßen?"
Der aber sagt es gleichwohl nicht.
„Habt ihr den Gruß nur ausgericht't
165 Von dem, der kommt, so werden sie's verstehn.
Lebt wohl, ihr Herr'n, auf Wiedersehn!"
Das war des Reiters letztes Wort;
Des andern Morgens war er fort.
66. Luther und der Fleischer.
Von Rudolf Hagenbach.
Ob seiner lieben Bibel wacht
Der Doktor Luther Tag und Nacht.
Wohl ist ihm trefflich schön gelungen,
Zu fassen sie in deutsche Zungen;
5 Doch immer tiefer will er graben,
Und immer besser will er's haben,
Damit der heil'gen Rede Fluß
Ihm fließe recht aus einem Guß,
Damit aus deutschem Volkesmund
10 Des Herren Wille werde kund
Und seine Gnade offenbar
So klar und wahr, so ganz und gar,
Als ob es so vom Himmel her
Auf deutsch zu uns geredet wär'.
15 Das ist sein Flehn, sein Wunsch und
M;
Doch macht's ihm saure Arbeit viel.
Was du, mein lieber Christ, im Flug
Nun liesest und in einem Zug,
Drob hat er oft in Schweißesdrang
Gerungen viele Monden lang. 20
Vergiß drum nicht in stolzem Wahn,
Wie er gebrochen hat die Bahn,
Auf der sich's läuft so glatt und gut,
Vergiß es nicht im Übermut!
Komm, sieh ihn da geduldig weilen 25
Und an den Büchern Mosis feilen!
Sieh, wie sich der Leviticus
In deutsche Satzung füM muß;
Was alles ward in Israel
An Fleisch und Blut, au Öl und Mehl 3»
Geopfert einst zu Speis' und Trank,
Zur Sühne hier und dort zum Dank,
Das alles soll nun härchenklein