Full text: Vaterländisches Lesebuch für Fortbildungsschulen

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zum Unterhalt gehört, den Wein mit1 Mark für die Flasche, und der Besitzer 
hat wohl mehrere 100 Mark verdient. BVete nur recht für uns, daß dieser 
jammervolle Krieg recht bald aufhört, denn mir tun die armen getäuschten 
belgischen und französischen Bauern sehr leid. Schon oft haben wir solches 
Elend getroffen, daß wir von unserem Brot und Mittagessen ausgeteilt haben. 
Und bete auch, daß wir siegen. Soviel Grausamkeit kann selbst der schlech⸗ 
teste Soldat von uns nicht verüben, wie es die Engländer und Franzosen tun. 
Wir trafen neulich einen Trupp Gefangener, darunter waren Zivilisten, die 
eine Menge abgeschnittener Finger mit Ringen in den Taschen hatten. — 
Walter hatte es die letzten Tage, glaube ich, noch schwerer als ich, aber soviel 
ich höre, ist er gesund. Seine Kompagnie hat einen Verwundeten. Nun noch 
etwas, was Du Dir für Dein Leben auch merken sollst und jetzt Papa weiter⸗ 
erzählen: Wir haben alle vor dem Ausrücken Gesangbücher empfangen. Ein 
Reservist vermißt seins und sucht eifrig danach. Da sagte der Unteroffizier zu 
ihm: „Na, das ist doch nicht schlimm . “„Ja,“ sagt der Reservist, „das ist 
mein Kleinod“. Ist das nicht schön? Nun laß Dich nochmals umarmen von 
Deinem Patenonkel und treuen Bruder Fidus. 
Friedrich Sohnrey in „Deutsche Dorfzeitung“, Berlin. 
34. Stillesein und Hoffen. 
Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein. (Jes. 30, 15.) 
Nun harren wir mit gespanntester Erwartung der kommenden 
Dinge. Nun schauen die Völker der Erde auf das deutsche Volk, wie es 
bestehen wird in dem gewaltigen Kampf, der uns aufgezwungen ist. 
„Bangend lauscht der Erdenbaul“, und höher schlägt unser Herz. Wir 
find ja nicht unbeteiligte Zuschauer. Es geht um unser Teuerstes, um 
unser Vaterland, um unsere Lieben, um all die vielen, vielen von 
den Unsrigen, die ihr Leben einsetzen im heiligen Kampf. 
In den Städten, in den Dörfern ist es stiller geworden; in 
manchem Hause ist es ganz besonders still geworden, wo der Vater, 
der Sohn, der Bruder fehlt. Von der Grenze kommen von Ost und 
West kurze Nachrichten. Gott Lob! Sie künden von Erfolgen, von 
herrlichen Heldentaten. Doch nun hebt erst das große Ringen an. Um 
uͤns ist es stille, doch in uns ist Unruhe. Wir „denken des Blutes, das 
fließen wird“. — 
Wie not tut uns da die Mahnung: Durch Stillesein und Hoffen 
werdet ihr siartk sein. Jetzt gill's die Seelen in Geduld zu fassen, jetzt 
soll sich der Glaube an Gottes Maͤcht, das Vertrauen auf seinen Schutz 
bewähren. Jetzt gilt's die Herzen wappnen mit der Geduld, die 
auf dem Glauben ruht und aus dem Glauben immer neue Kraft 
schöpft, wenn sie zu versagen droht. Warten und harren, wie bitter 
schwer ist's, wo so viel, ja alles auf dem Spiele steht. Aber wenn der 
Flaube an Gott und das Vertrauen auf unsere gerechte Sache und 
auf das gute deutsche Schwert das Warten zum Hoffen werden läßt, 
dann sind wir imstande, stille zu sein — und der Herr wird für uns
	        
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