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straße in erträglichem Zustande zu erhallen. In Thüringen waren
die Landgrafen die Inhaber des Geleits; aber man kann nicht
sagen, daß sie sich damit besondere Mühe gegeben hätten. Die
Straßen waren meist in einem fürchterlichen Zustande, höchstens
daß die Bauern einmal gezwungen wurden, die ganz unwegsam
gewordenen Stellen mit Kies und Geröll auszufüllen. Auch von
der Mitgabe bewaffneter Leute hört man wenig, umsomehr aber
von dem geforderten Rechte der Geleitseinnahme. An günstig ge
legenen Orten, die von allen durch das Land fahrenden Wagen
berührt werden mußten, hatten die Landgrafen Geleitstellen er¬
richtet und verlangten von jeder aufgeladenen Ware eine Art
Chausseegeld. Eine derartige Geleitstelle war auch in Erfurt. Ihre
Einnahmen waren meist an Erfurter Bürger verpachtet. Von Er¬
furt aus mußten die Fuhrleute daun die nächste Geleitstelle auf¬
suchen und hier den Beweis erbringen, daß sie in Erfurt bezahlt
hatten. Wer auf Nebenwegen betroffen wurde, dem sollte Wagen,
Gespann und Ladung verloren sein, ooch ließ man's beim vierten
Teil bewenden. Erst im 16. Jahrhundert, als die Kurfürsten von
Sachsen das Geleitsrecht besaßen, hörte dieser strenge Zwang all¬
mählich auf. Damals war das Geleitshaus die heutige Gastwirt¬
schaft „zum Vaterland" in der Regierungstraße. — Aber der Rat
selbst sorgte mit allen Mitteln für die Sicherung der Straßen,
war doch der fandet Erfurts Lebensader. Die meisten Bündnis¬
verträge, besonders die mit den treuverknüpften Nachbarstädten
Nordhausen und Mühlhausen, enthalten Abmachungen über die
Sicherung der Straßen. So geloben die drei Städte, als sie sich
im Jahre 1371 mit den Grafen von Gleichen, von Schwarzburg
u. a. auf zehn Jahre zum Schutze des Landfriedens verbinden:
„Ouch sollen wir . . . die strazze . . . schirmen, also, daz die
nymand hindern sol oder verbieten.“ Außerdem hatte der Rat für
sein gutes und sehr begehrtes Geld mehrere Burgen erworben, die
zu jeder Zeit, vor allem aber in gefährlicher, den Erfurter Kauf¬
leuten offenstanden. Auf ihnen saßen Amtleute, deren besondere
Aufgabe die Sicherung der Straßen war. Auch hatte sich der Rat
für die Handelswege außerhalb Thüringens von den betreffenden
Landesherren Schutzbriefe ausstellen lassen; denn Erfurts Handel
dehnte sich zur Zeit seines höchsten Glanzes nach allen Richtungen,
selbst weit über die deutsche Grenze aus.
Erfurter Handel: Und doch war er nur zum kleinsten Teil
Ausfuhrhandel, da das einzige Ausfuhrerzeugnis der Waid war.
Die waidgefüllteu, tauuenen Fässer gingen bis nach Italien, an
von ihnen, um zur Selbsthilfe schreiten zu können, verworfen wurde. Auch
das Urteil des Erfurter Stadtgerichts fand nicht ihren Beifall. Wenn dann
die höhere Instanz (Urteil des Land- oder Hofgerichts) nicht vom Erfurter Rat
anerkannt wurde, so schickten sie wegen Rechtsverweigerung der Stadt ihren
Fehdebrief, und die Kaufleute hatten es dann auf den Landstraßen zu büßen.
Zbre Ladung war den Stadtfeinden eine willkommene Beute; außerdem mußten
wohlhabende Gefangene noch ein hohes Lösegeld zahlen.