Full text: 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen

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einzureihen. Als weitere Ehrung Halle die Erfurter Kaufmann- 
schaft beschlossen, dem Monarchen bis zur Landesgrenze enlgegen- 
zureiten. 
Der Einzug: Am Morgen des 27. Septembers verkündete 
das Geläut aller Glocken und der Donner der Kanonen die An¬ 
kunft des Kaisers, und alles strömte ihm zum Empfange ent¬ 
gegen, über welchen ein Augenzeuge berichtet: 
Da ich gern Zeuge des Empfanges sein wollte, schlug ich 
einen Schlupfweg vom Walle binab, neben dem Tore, ein und 
kam, ohne mich vordrängen zu müssen, bei dem Platze an, wo der 
Magistrat, die Universität und die Geistlichkeit versammelt waren. 
Als der Kaiser bei Gamstädt angekommen, wurde er sogleich von 
den Behörden des Landes feierlichst empfangen. Die Kaufleute 
ritten vor und baten um die Gnade, ihm als Leibgarde zu dienen. 
Der Monarch nahm ihre Bitte sehr gnädig aus und hieß sie ver¬ 
rufen. Hierbei zeigten die Kaufleute eine seltene Kunst und Ge¬ 
wandtheit, indem sie die Schwadron Husaren, welche vor dem kai¬ 
serlichen Wagen herritt, übersprengten und vor ihr hersagten. Der 
Monarch ließ sie dann durch seinen Adjutanten wissen, daß sie 
bis zur Stadt nur hinterdrein reiten möchten, um sich zu schonen. 
Ungefähr eine halbe Stunde vor der Stadt befahl aber Höchst- 
derselbe sie wieder vor. So sah ich sie auch angesprengt kom¬ 
men. — Jetzt donnerten von den Wällen des Petersberges die 
Kanonen. Alle Glocken der Stadt ertönten, und aus allen Kehlen 
erscholl ein durchdringendes „Vive l’empereur!“ Die Grenadiere 
und Übrigen Soldaten schwenkten ihre Hüte auf den Bajonetten. 
Ungefähr 500 Schritte vor dem Tore hatte sich, wie ich schon be¬ 
merkte, unter Anführung des Herrn Stadtkommandanten der Ma 
gistrat mit den Deputierten (Abgesandten) der Bürgerschaft, der 
hiesigen Universität und der Geistlichkeit versammelt. Jetzt hielt 
der Wagen des Kaisers. Der Herr Stadtdirektor überreichte auf 
einem vergoldeten Becken Sr. Majestät die Schlüssel der Stadt 
mit einer französischen Ansprache. Diese wurde von Sr. Majestät 
sehr huldreich ausgenommen. . . 
Neues Vivatrnfen ertönte aus allen Kehlen, und dann rollten 
die Wagen in die Stadt. Ich zog meine Uhr, als der Wagen 
des Kaisers zum Brühlertorgewölbe hereinrollte. Es war Schlag 
10 Uhr vormittags. 
Napoleon begrüßt den König von Sachsen: Von hier 
fuhr der Kaiser zum Gouncrncmcnt (Regierungsgebäude), wo er 
vom Könige von Sachsen bewillkommnet wurde. Nachdem er sich 
dann umgekleidet hatte, setzte er sich in einfacher Uniform, dunkel¬ 
blauer Rock mit ^"llblauem Ordensbande, und mit dem gewöhn¬ 
lichen schwarzen Hütchen, das ihn so sehr kennzeichnet, zu Pferde 
und machte dem König den Gegenbesuch. Zu dieser Zeit war der 
Fischmarkt angefüllt mit der Garde zu Pferde, Husaren und Ehas- 
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