Full text: Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte

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Furcht zusammengehalten. Bei der Besetzung der Offizierstellen 
hatten die Adeligen das Vorrecht ohne Rücksicht auf Tüchtigkeit 
und Kenntnisse; nur ausnahmsweise konnte ein Mann von bürger¬ 
lichem Stande eine höhere Ofsiziersstelle erlangen. Ein solches 
Heer konnte auch bei großer Tapferkeit gegen die beweglichen 
und für den Krieg geübten Franzosen das Feld nicht behaupten. 
Scharnhorst sah eine Abhilfe der Mängel nur darin, daß 
alle Landeskinder ohne Ansehen der Geburt verpflichtet sein 
sollten, für das Vaterland die Waffen zu tragen. Nicht mehr 
Handgeld und Sold, auch nicht sklavische Furcht, sondern die 
Treue gegen König und Vaterland sollte das Heer zusammen¬ 
halten; Stockprügel, Spießruten und alle entehrenden Strafen 
wurden abgeschafft; der gemeine Soldat durste nicht mehr als 
ein „Kerl", sondern mußte als ein Staatsbürger im Waffen¬ 
dienste für das Vaterland behandelt werden. Die Offizierstellen 
sollten allen Befähigten zugänglich sein, die Beförderung von 
den Kenntnissen und der Tapferkeit abhängen. Der Dienst wurde 
einfacher und zweckmäßiger eingerichtet; nicht für die Wacht- 
Parade, sondern für den Kampf auf dem Schlachtfelde sollten 
die Wehrmänner ausgebildet werden. 
In dem unglücklichen Feldzuge waren Waffen und Heer- 
gerüte fast völlig zugrunde gegangen oder vom Feinde hin¬ 
weggenommen worden. Mit unermüdlichem Eifer sorgte Scharn¬ 
horst für Wiederherstellung der Heeresausrüstung. Durch den 
Frieden von Tilsit war dem König von Preußen verwehrt, mehr 
als 42000 Mann unter Waffen zu haben. Scharnhorst wußte 
trotzdem ein bedeutendes Heer aufzubringen. Es waren freilich 
nur 42000 Mann bei den Fahnen; aber die ausexerzierten wurden 
entlassen und die gleiche Zahl frischer Mannschaft einberufen, 
welche ebenfalls entlassen und ersetzt wurde, sobald sie ausgebildet 
war. Schon nach drei Jahren war der König von Preußen 
imstande, durch die Einberufung der ausgebildeten und entlassenen 
Wehrmünner — man nannte sie Krümper — ein Heer von 
120000 Mann aufzustellen. 
So wurde gleich nach den Tagen des Unglücks und der 
Demütigung die Wiedererhebung vorbereitet. Es war für König 
Friedrich Wilhelm III. eine harte Zeit. Sein verkleinertes Land 
war von französischen Heeren besetzt, er selbst von französischen 
Spionen überwacht. Die Steuerlast erreichte eiue kaum erträg¬ 
liche Höhe; denn es mußten die ungeheuren Kriegskosten an den 
Kaiser Napoleon bezahlt, das feindliche Besatzungsheer besoldet, 
genährt, gekleidet und zugleich die Ausrüstung des eigenen Heeres 
wiederhergestellt werden. Der König gab seinem Volke das 
Beispiel ausharrender Geduld uud trug die schwere Zeit mit 
ungebeugtem Mute auch dann noch, als seine hochherzige Gattin,
	        
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