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scheu Kaiser. Unzertrennlich wird sein hehrer Name verbunden bleiben
mit aller Größe des deutschen Vaterlandes, in dessen Neubegründung
die ausdauernde Arbeit von Preußens Volk und Fürsten ihren schönsten
Lohn gefunden hat. Sicher in seiner eigenen Kraft ruhend, steht
Deutschland im Rate der Völker und begehrt nur, des Gewonnenen
in friedlicher Entwickelung froh zu werden. Daß dem so ist, ver¬
danken wir Kaiser Wilhelm, seiner nie wankenden Pflichttreue, seiner
unablässigen, nur dem Wohle des Vaterlandes gewidmeten Thätigkeit,
gestützt auf die von dem preußischen Volke unwandelbar bewiesene und
von allen deutschen Stämmen geteilte opferfreudige Hingebung."
Kaiserin Zugusta.
Die treueste Lebensgefährtin Kaiser Wilhelms, die in guten und
bösen Tagen fest und liebevoll ihm zur Seite stand, war seine Gemahlin,
die Kaiserin Angusta. Am 30. September 1811 als Tochter des Erb-
Herzogs von Sachsen-Weimar geboren, erhielt sie von ihrer frühesten
Kindheit an eine sorgfältige Erziehung, wodurch in dem kunstsinnigen
Weimar ihre herrlichen Geistes- und Gemütsanlagen trefflich zur Ent¬
wickelung gelangten. Der große Goethe rühmte von ihr: „Sie darf
mitreden, denn sie hat etwas gelernt!" Der hier geweckte Sinn für
alles Edle, die Neigung für Künste und Wissenschaften, haben sie durch
ihr ganzes Leben begleitet. Ihren beiden Kindern (siehe Seite 278)
war sie eine liebevolle, treue Mutter; ebenso hat sie ihrem Volke sich
als wahre Landesmutter erwiesen. Dies zeigte sich besonders in den
Kriegsjahren. Sie ordnete und überwachte die freiwillige Kranken¬
pflege; sie sorgte auch dafür, daß die Angehörigen der im Felde stehen¬
den Krieger Unterstützung erhielten. Großes Verdienst hat sie sich
dadurch erworben, daß sie den „Vaterländischen Frauen-Verein"
stiftete. Diese Vereinigung von Frauen aus allen Ständen und aus
allen Gegenden des Reiches ist bei jedem größeren Unglück zur Hilfe
da. Wird eine Gegend durch Überschwemmung, Feuersbrunst, Hungers¬
not oder eine Seuche (Cholera) heimgesucht, so unterstützt der Frauen¬
verein die Unglücklichen durch Kleidungsstücke, Nahrungsmittel, Geld
und Arzneien. Außerdem hat er Waisenanstalten und Rettungs¬
häuser gegründet, worin elternlose und verwahrloste Kinder Aufnahme
und Erziehung finden.
So hat die Kaiserin mit milder Hand großen Segen gestiftet und
die Freude des Wohlthuns in reichem Maße erfahren. Aber auch
herbes Erdenleid hat ihr Herz getroffen. Zweimal sah sie ihren Ge¬
mahl unter Mörderhänden bluten; und in einem Jahre (1888) verlor
sie einen lieben Enkel, ihren Gatten, mit dem sie 60 Jahre aufs
innigste verbunden gewesen, und ihren einzigen Sohn. Nur ihre
Frömmigkeit, ihr inniges Gottvertrauen hielt sie aufrecht in solchem
Seelenleide. Von eigenem Schmerz tief gebeugt, suchte sie die