27. Eine Festschule der Meistersinger.
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Meister erklärt werde. Mit einem Gruße stellt er fein Begehren unb ber
Meister begrüßt ihn toieber mit einem Grnße unb Gesang unb legt ihm bann
Fragen vor über bcn Ursprung ber Kunst unb ihre Gesetze. Hat er hierauf
genügend geantwortet, so fingen ihm bie Meister zu, baß er zu ihnen eintrete
um bie Meisterschaft unb beit Kranz zu empfangen."
„Wie nun die Bräuche ber Meister find, sollt ihr bei ber Singfchule
erfuhren; ba geht es anbers her als bei beit gewöhnlichen Zusammenkünften,
wenn wir uns in ben Schenken versammelt haben; ba könnt ihr auch manch
herrliches Lieb hören; aber in ben Feftfchulen werben nur Gedichte vorge¬
tragen, bereu Inhalt aus ber Bibel ober aus ben heiligen Sagen geschöpft
ist. Wer am fehlerfreiesten singt, wirb mit einer golbenen Kette geschmückt,
wer nach ihm am besten besteht, erhält einen Kranz zum Lohn; wem aber
grobe Fehler nachgewiesen werben, ber muß es mit Strafgeld büßen. So
fließt bas Leben ber Meistersinger unter erbaulichen Gesängen hin, unb wenn
einer ans dem frohen Kreise abberufen wirb, so versammeln sich seine Genossen
um sein Grab unb fingen ihm das letzte Lieb."
Der Nachmittag bes Pfingfttages rief alles zur Feftschule zusammen;
bie Meistersinger, ehrwürdige alte Herren, junge Schüler, welche die Tabulatur
noch studierten, Schulfreunde, welche die Poetik und Metrik der Meister schon
iutie hatten, Singer, die bereits einige fremde Gesänge schulgerecht vortragen
konnten, Dichter, die nach den Tönen der Meister einen eigenen Gesang zu
dichten verstanden, zogen festlich geschmückt der Katharinenkirche zu. Am Ein¬
gänge derselben hielt der Kirchner zu einem Trinkgelde die Mütze hin, um das
Gesindel abzuhalten, das ehrbare Leute in der Erbauung stören könnte.
Die Kirche war im Innern schön aufgeputzt und vom Chore, wo die
Vornehmen Platz fanden, hingen kostbare Decken herab. Gar feierlich nahm
sich der Verein der edlen Meister aus, die umher auf den Bänken faßen, teils
langbärtige Greise teils jugendliche Männer, alle so still und ernst, als wenn
sie zu den Weisen Griechenlands gehörten. Sie prangten in Seidengewändern,
grün, blau und schwarz, mit zierlich gefalteten Spitzkragen. Unter thuen fehlte
auch nicht der ehrwürdige Haus Sachs, noch immer in jugendlicher Rüstigkeit.
Neben der Kanzel war der Singstuhl errichtet, nur kleiner, sonst wie
die Kanzel selbst und heute mit einem bunten Teppich geschmückt. Vorn im
Ehor sah matt ein niedriges, mit schwarzen Vorhängen umzogenes Gerüst auf-
geschlagen, worauf ein Tisch mit Pult stand; eine Kette mit vielen Schau¬
stücken und ein Kranz aus seidenen Blumen hingen an der Seite desselben.
Das war das Genterke, wo diejenigen Platz fanden, welche die Fehler der
Sänger gegen die Gesetze der Tabulatur anmerken mußten. Ihrer waren vier.
Der älteste hatte die Bibel vor sich auf dem Pulte liegen, um die von dem
Singer angegebene Stelle, woraus sein Lied genommen, aufzuschlagen und
fleißig aufzumerken, ob dasselbe mit dem Inhalte der Schrift übereinstimme,
der zweite, der dem ersten gegenübersaß, hatte auf die Gesetze der Tabulatur zu
Kronseder, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. u