Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

29. Albrecht Dürer. 
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beiden reifsten und abgeklärtesten Bilder des Meisters: das Porträt des Hiero¬ 
nymus Holzschuher und die vier Apostel. 
Mit vollem Rechte gilt das Bildnis des Holzschuher als eine Perle 
deutscher Porträtkunst. Beachtenswert ist hier, daß nicht eine berühmte Persön¬ 
lichkeit uns fesselt — wir wissen von dem alten Herrn nicht viel mehr als 
seine äußeren Lebensumstünde — sondern daß der Künstler einen Unbekannten 
uns so nahe zu bringen weiß. Es ist kein Repräsentationsbild, wie es die 
Italiener malten, auch kein Bild von so wunderbarer malerischer Weichheit 
wie die Bildnisse Holbeins. Aber hier ist jede Einzelheit getreu und schlicht 
wiedergegeben, die charakteristischen Züge, die sich sofort einprägen, sind 
scharf betont, aber keine gesuchte Einseitigkeit, keine Pose in Haltung und 
Ausdruck stört die strenge sachliche Einfachheit.- In dieser Art der Porträtkunst 
ist Dürer unerreicht und sein Holzschuher das unübertroffene Meisterwerk. 
Die vier Apostel — besser vier Temperamente genannt — sind des 
Künstlers Testament an .seine Vaterstadt Nürnberg. Hier hat er sein ganzes 
Können auf vier stehende Gestalten zusammengefaßt, die Apostel Johannes, 
Petrus und Paulus und den Evangelisten Markus, die gleichzeitig die Typen 
der vier Temperamente darstellen sollen. Bei einem solchen Vorwurf können 
Bewegung und Anordnung nichts mehr geben, alles liegt in dem wunderbaren 
Ausdruck der Köpfe und der einfachen, monumentalen Ruhe der Haltung. Ein 
Werk von folcher verinnerlichter Größe konnte nur ein Künstler schaffen, der 
ein reiches Leben voll Arbeit und Erfahrung hinter sich hatte. Ein Jahr¬ 
hundert hat seine Vaterstadt das Werk hoch in Ehren gehalten. Dann aber 
verkaufte sie es, zum Teil aus politischen Rücksichten, an Maximilian I. von 
Bayern und heute bildet es ein Kleinod der Alten Pinakothek zu München.1) 
Die Bilder des Jahres 1526 waren Dürers letzte künstlerische Tätigkeit; 
von nun an widmete er alle Zeit theoretischen Studien. Schon 1525 erschien 
die „Unterweisung in der Messung mit Richtscheit und Zirkel", eine Belehrung 
über Perspektive, Konstruktion und Ähnliches. 1527 folgte der „Unterricht zur 
Befestigung der Stett". Sein Hauptwerk aber sollte ein vierbändiges Lehr¬ 
buch der Malerei werden. Schon lag der — später auch in Druck erschienene 
— erste Band, die „Menschliche Proportion", fertig vor ihm, da nahm der 
Tod dein rastlosen Manne die Feder aus der Hand. Auf feiner niederlän¬ 
dischen Reife hatte er sich ein Leiden zugezogen, von dem er sich nie mehr 
ganz erholte; am 26. April 1528 erlag er dieser Krankheit. 
Sein Tod wurde damals allenthalben beklagt und die Wertschätzung 
feiner Werke stieg von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Zu Anfang des 17. Jahr¬ 
hunderts suchten drei hochgestellte Sammler alles zu erlangen, was verkäuflich 
war: Kaiser Rudolf II., Herzog (später Kurfürst) Maximilian I. von Bayern 
und der englische Gras von Arnndel. Ihre Sammlungen bilden den Anfang 
2) Über die Erwerbung dieses und anderer Gemälde Dürers vgl. Nr. 43, S. 234 ff.
	        
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