Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

44. Karl Ludwigs Rückkehr in die Pfalz. 
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umfaßt, die selbst im fruchtbarsten Süden Deutschlands wie ein prangender 
Garten hervorstrahlt, war eine Einöde; die Felder waren mit Dorngestrüpp 
umzogen, die Weinberge lagen wüst da und statt reicher, dichtgesäter Ortschaften 
stieß man nur ans ärmliche Hütten, in denen Armnt und Elend, oft Raub 
und Verbrechen ihre Zuflucht fanden. Vor dem unseligen Kriege hatten die 
Städte mächtiger geblüht als jemals in der pfälzischen Zeit: Frankenthal hatte 
1800 Bürger, Oppenheim 800, Kreuznach 2000 Familien gezählt; Mannheim, 
Heidelberg, Neustadt und die andern Amtsstädte fanden sich in gleich blühen¬ 
dem Zustand. Jetzt rechnete man, daß noch der fünfzigste Teil der ganzen 
Bevölkerung übrig sei und auch der war durch Krieg, Raub, Anarchie und 
mehrfache Konfessionswechsel so verwildert, daß er das Gedeihen des Ganzen 
mehr hemmte als förderte. Heidelberg lag zum Teil tu Trümmern; das alte 
Stammschloß der pfälzischen Wittelsbacher, das vor Friedrichs V. Wegzug mit 
feilten Prachtgebäuden, zierlichen Gärten, Wasserkünsten und Statuen als be¬ 
wunderter Lustort mit allen Höfen Europas rivalisierte, war jetzt in so trau¬ 
rigem Zustande, daß Karl Ludwig nicht einmal eine anständige Wohnung für 
sich dort sinden konnte. 
Hier galt es zu handeln. Der Unterschied zwischen dem traurigen An¬ 
blicke, den die Gegenwart bot, und den reizenden Schilderungen, welche die 
alten pfälzischen Beamten entwarfen, war zu grell, als daß nicht Karl Ludwig 
angespornt worden wäre hier ein Wiederherstellet zu werden. Der Eindruck 
so schmerzlicher Zustände sonnte auch ein ganz leichtfertiges Gemüt ernster 
stimmen; Karl Ludwig aber hatte in dem schweren Drnck der letzten zehn 
Jahre die wüsten Freuden seines Jünglingslebens wohl vergessen und das 
Unglück hatte ihn rasch zum Manne groß gezogen. Mit allem Ernst und 
Eifer nahm er sich jetzt seines unglücklichen Landes an. 
Was mit Gesetzen und fürstlichen Befehlen für Zurückführung der Ord¬ 
nung geschehen konnte, geschah; der Rest der Bevölkerung ward allmählich 
wieder an Gehorsam und Ordnung gewöhnt; Sicherheit und ein behagliches 
Gesühl des Schutzes von oben, das man in den letzten drei Jahrzehnten nicht 
mehr gekannt hatte, kehrten zurück. Um den armen Bewohnern aufzuhelfen 
ward die Steuer so weit verringert, als es die Deckung der notwendigsten 
Bedürfnisse erlaubte, und der Kurfürst selbst, so genußsüchtig er sonst war, 
versagte sich jede unnütze Ausgabe zum Wohle seiner bedrängten Untertanen. 
<^ie vor Erpressung zu schützen verbot er ben Beamten streng irgend eine 
außerordentliche Geldumlage, heiße sie wie sie wolle, ohne kurfürstlichen Befehl 
zu erlassen ober auch nur Ursache und Anlaß dazu zu gebett. Das menschen¬ 
leere Land mit iteitert Bewohnern zu beleben und den wüsten Boden zu kulti¬ 
vieren wurden die ausgewanderten Pfälzer zur Rückkehr in die Heimat ein¬ 
geladen; und nicht etwa rtitr unbebautes, ödes Besitztum erhielten sie ange¬ 
wiesen, sondern die Bedingungen waren so günstig, daß bei einem so reich 
gesegneten Boden, wie der pfälzische war, bald die traurigen Spuren der 
Kronseder, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 16
	        
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