Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

102. König Maximilian II. von Bayern. 
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entwarf Aufträge und nahm mündliche Berichte über den Fortgang der von 
ihm angeregten Arbeiten entgegen. Dazu formte man bei dieser Gelegenheit 
auch unaufgefordert ein offenes Wort mit ihm reden. Fremde, welche sich 
über die langen Spielpausen wunderten, merkten es freilich nicht, daß inzwischen 
vielleicht ein weittragendes Unternehmen beredet und beschlossen worden war, 
wenn der König endlich ein Paar Worte in sein kleiues Notizbuch schrieb oder 
sich auch kurzweg einen Kuops zu mehreren bereits vorhandenen Knöpfen ins 
Taschentuch machte um dann wieder unter die seiner Kugel harrenden Billard¬ 
spieler zurückzukehren. 
Ganz im Einklänge mit seiner methodischen Art sah er in jedem von uns 
den Vertreter eines besonderen Faches und praktischen Erfolg hatte fast allezeit 
nnr, was der einzelne aus dem Gebiete dieses Faches, gefragt oder ungefragt, 
vorbrachte. Wohl hörte er uns mitunter auch gerne über Dinge reden, die 
wir nicht gerade aus der Schublade uuferes „Faches" holten, aber das Notiz¬ 
buch hat er dann kaum jemals hervorgezogen, ja nicht einmal das Taschen¬ 
tuch. Was der einzelne je aus seinem Fachkreise mitteilte, das schien ihm 
beachtenswert, was er etwa darüber hinaus vortrug, und wäre es auch noch 
so originell und bedeutsam gewesen, flüchtige Unterhaltung. Das Symposion 
als Ganzes war enzyklopädisch und der König, welcher unsere Verhandlungen 
an kaum merkbaren Fäden sicher leitete, die Enzyklopädie in Person; aber 
der einzelne unter uns sollte beileibe kein Enzyklopädist sein. 
Äußerst empfindlich wurde der König berührt, sowie er merkte, daß 
irgend jemand persönliche Ziele anstrebte oder überhaupt auch sachlich einen 
dominierenden Einfluß üben wollte. Seine Person vordrängen war das sicherste 
Drittel um von ihm zurückgeschoben zn werden, ja selbst die beste Sache, welcher 
man dabei etwa dienen wollte, zn verderben. 
König Max fürchtete sich argwöhnisch vor allem Günstlingswesen. Wer 
daher seine Freundschaft — ich sage absichtlich nicht seine „Gunst" — dauernd zn 
bewahren wünschte, der mußte warten, bis er gefragt wurde, dann aber ehrlich 
unt> geradeaus antworten, gleichviel ob er angenehme oder unangenehme Wahr¬ 
heiten zu sagen hatte; er mußte den Umgang mit dem Könige durchaus betrachten 
wie den Umgang mit einem hochgeachteten Privatmanne, wobei das Vergnügen 
und die gegenseitige geistige Frucht des Verkehrs das einzige Ziel ist und der 
einzige Lohn. Auch der König faßte den geselligen Umgang mit seinen Freunden, 
sei es an den Münchener Abenden oder auf der Jagd und Reise, durchaus im 
Geiste des liebenswürdigen Wirtes aus; das bekundete seine ganze Haltung, das 
bezeugten aber auch seine ausdrücklichen Worte: er ließ niemals merken, als wolle 
er uns eine Gunst oder Ehre erweisen, dagegen dankte er uns um so anmutiger 
für unsere Ausdauer und frische Teilnahme. Das war denn freilich die feinste 
Gunst und Ehre und er hatte ein Recht zu erwarten, daß wir dieselbe mit gleichem 
Zartgefühl erwiderten und uns allen vordringlichen Wesens, aller eigennützigen 
Wünsche und Pläne sowohl ihm selbst gegenüber wie nach außen streng enthielten.
	        
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