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wackere Gefährten; die holte ihm das Ungeheuer mit seinen sechs Köpfen
aus dem Schiffe heraus.
6. Als armer Schiffbrüchiger bei Kalypso. Bald verlor Odysfeus
auch das letzte Schiff und die ganze übrige Mannschaft. Das kam so:
Auf einer Insel weideten die Herden des Sonnengottes. Wer sie berührte,
der war des Todes. Trotz der Warnungen ihres Herrn fingen die Ge¬
fährten, während er schlief, einige von diesen Tieren, schlachteten sie unb
aßen von bem Fleische. Kaum waren sie wieber auf bem Meere, ba zerbrach
bas Schiff in furchtbarem Sturme; alle ertranken bis auf Odysseus. Die
Wogen warfen ihn bann an bie Insel ber Göttin Kalypso. Diese fand großes
Gefallen an Obysseus unb wollte ihn für immer bei sich behalten. Ja, sie ver¬
sprach ihm sogar bie Unsterblichkeit. Aber es zog ihn von Tag zu Tag
mehr nach ber Heimat, nach seiner Gattin Penelopeund nach seinem Sohne
Tele mach, der bei des Vaters Abfahrt ein Säugling gewesen war und
jetzt zu einem stattlichen Jüngling herangewachsen sein mußte.
7. Als Gast bei den Phääken. Schließlich gab ihm Kalypso Beil
und Säge, und er baute sich ein Floß, auf dem er bie Fahrt wagte. Da
aber traf ihn Pofeibon unb nahm fürchterliche Rache für die Blendung
feines Sohnes Polyphem. Bald war das Floß zertrümmert. Eine mitleidige
Meergöttin reichte dem Schiffbrüchigen einen Gürtel, der ihn über Waffer hielt.
So kam er an das Gestade des Schiffsvolkes ber Phääken.
Tief erschöpft schlummerte der Arme in einem Laubhaufen ein. Aus
langem, erquickendem Schlafe weckte ihn fröhliches Mädchenlachen. Die Königs¬
tochter Nausikaa und ihre Mägde hatten Wäsche gehalten und spielten jetzt
Ball. Von Nausikaa mit Kleidern versehen, wanderte Odysseus zur präch-
tigen Königsburg. Hier empfingen der König und feine Gemahlin mit ihren
Edlen den Unbekannten gastlich und bewirteten ihn reichlich. Während des
Mahles fang ein blinder Sänger vom Trojanischen Kriege und von der
Klugheit des Odysseus. Es fiel den Anwesenden aus, wie der Fremdling
beim Anhören des Gesanges Tränen vergoß. Sie hatten gleich gemerkt, baß
er etwas Besonderes sein müsse; unb als er sich bann zu erkennen gab, ba
konnten sich alle nicht genug tun, ben berühmten Gast zu ehren.
8. Ein Fremder in der Heimat. Balb war ein Schiff ausgerüstet,
unb reich beschenkt segelte Obysseus ber geliebten Heimat zu. Währeub ber
Fahrt übermannte ihn tiefer Schlaf, fobaß er nicht merkte, wie das Fahr-
zeug feine Heimat erreichte. $ie Schiffer wollten feinen Schlummer nicht stören,
hoben den Helden fachte aus dem Fahrzeug, legten ihn mit feinen Schätzen
an den Strand und fuhren davon.
Als der Held erwachte, herrschte dichter Nebel, und er erkannte das
Vaterland nicht. Da klärt: ihn seine Freundin, die Göttin Athene, auf.
Die Freude des Vielgeprüften war groß. Aber noch stand ihm harte Arbeit
bevor.
Alle die zwanzig Jahre hindurch hatte ihm feine Gattin Penelope die
Treue gehalten, und unter ihrer Aufsicht war Telemach zu einem herrlichen
Jüngling herangewachsen. Jeden Fremden, der die Insel betrat, ließ sie zu
sich kommen und fragte ihn nach dem Gemahl. Als Odysfeus immer
und immer nicht wiederkam, da verlangten die Vornehmen der Insel, daß