Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

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zu diesem schweren Amte fehlte ihr das Geschick und die Entschieden¬ 
heit. Fehden aller Art durchtobten die deutschen Gaue. Nun hätte 
sie freilich die Hilfe der Bischöfe und der Herzöge in Anspruch nehmen 
sönnen, aber das that sie nicht, sie hörte nur den Rat ihrer Beamten 
(Ministerialen, Dienstmannen). Darüber waren die geistlichen und welt¬ 
lichen Fürsten so ungehalten, daß sie eine Verschwörung bildeten, an 
deren Spitze der Erzbischof Anno von Köln stand. Dieser ehr¬ 
geizige Kirchenfürst entschloß sich zu einem Staatsstreiche, der sehr üble 
Folgen hätte haben können. Bei einem Besuche in Kaiserswerth am 
Rhein, wo sich die Kaiserin mit dem jungen Könige aufhielt, lockte er diesen 
auf ein neues, elegantes Schiff, das er zu diesem Zwecke hatte bauen 
lassen und entsloh mit ihm nach Köln. Der Bürgerkrieg, den man 
bereits allgemein fürchtete, unterblieb, weil die Mutter nichts dagegen 
that, sondern ihrer Neigung folgend in ein Kloster und etwas später 
nach Rom ging. So hatte der Erzbischof den königlichen Knaben in seiner 
Gewalt, und damit war die Regierung des Reiches thatsächlich in seine 
Hand gegeben. Aber auch er hatte kein staatsmännisches Geschick, seine 
Hauptsorge war darauf gerichtet, durch Schenkungen, die er sich von 
seinem Zöglinge machen ließ, sein Erzbistum zu vergrößern. Von 
Habsucht verblendet trug er selbst dazu bei, daß die königlichen Besitz¬ 
ungen und Gerechtsame vermindert wurden. Der kirchlichen Partei 
gegenüber, welche die Macht des Papstes über die des Kaisers erheben 
wollte, zeigte er sich so schwach, daß er, als es einmal zwei Gegen¬ 
päpste gab, den kaiserlich gesinnten bekämpfte und dem nach der Ober¬ 
herrschaft strebenden zum Siege verhalf. 
Die deutschen Bischöfe wurden freilich dadurch immer mehr und 
mehr von Rom abhängig. Kein Wunder, wenn viele der hohen Geist¬ 
lichen im Lande mit ihm nicht einverstanden waren. Dies benutzte 
Adalbert, der Erzbischof von Bremen, ein außerordentlich energi¬ 
scher und thätiger Mann, der seine erzbischöfliche Gewalt gern über 
die nordischen Staaten, Dänemark, Schweden und Norwegen einge¬ 
schlossen, ausgedehnt hätte. Er ruhte nicht, bis er Anteil an der Er¬ 
ziehung des jungen Königs hatte und nahm ihn endlich ganz zu sich. 
Auch er benutzte diese Vormundschaft, sich Güter und Gerechtsame zu 
verschaffen, aber er bemühte sich doch, die königliche Oberhoheit überall 
im Reiche zur Geltung zu bringen. 
Als Heinrich 15 Jahre alt war, wurde er wehrhaft gemacht und 
für mündig erklärt. Er hatte eine besondere Vorliebe für Sachsen; 
hier hielt er Hof, und noch immer war Adalbert sein Berater. Allein 
der Hochmut und die Ländersucht dieses ehrgeizigen Mannes war den 
sächsischen Fürsten so verhaßt geworden, daß sie seine Entlassung aus
	        
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