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zu diesem schweren Amte fehlte ihr das Geschick und die Entschieden¬
heit. Fehden aller Art durchtobten die deutschen Gaue. Nun hätte
sie freilich die Hilfe der Bischöfe und der Herzöge in Anspruch nehmen
sönnen, aber das that sie nicht, sie hörte nur den Rat ihrer Beamten
(Ministerialen, Dienstmannen). Darüber waren die geistlichen und welt¬
lichen Fürsten so ungehalten, daß sie eine Verschwörung bildeten, an
deren Spitze der Erzbischof Anno von Köln stand. Dieser ehr¬
geizige Kirchenfürst entschloß sich zu einem Staatsstreiche, der sehr üble
Folgen hätte haben können. Bei einem Besuche in Kaiserswerth am
Rhein, wo sich die Kaiserin mit dem jungen Könige aufhielt, lockte er diesen
auf ein neues, elegantes Schiff, das er zu diesem Zwecke hatte bauen
lassen und entsloh mit ihm nach Köln. Der Bürgerkrieg, den man
bereits allgemein fürchtete, unterblieb, weil die Mutter nichts dagegen
that, sondern ihrer Neigung folgend in ein Kloster und etwas später
nach Rom ging. So hatte der Erzbischof den königlichen Knaben in seiner
Gewalt, und damit war die Regierung des Reiches thatsächlich in seine
Hand gegeben. Aber auch er hatte kein staatsmännisches Geschick, seine
Hauptsorge war darauf gerichtet, durch Schenkungen, die er sich von
seinem Zöglinge machen ließ, sein Erzbistum zu vergrößern. Von
Habsucht verblendet trug er selbst dazu bei, daß die königlichen Besitz¬
ungen und Gerechtsame vermindert wurden. Der kirchlichen Partei
gegenüber, welche die Macht des Papstes über die des Kaisers erheben
wollte, zeigte er sich so schwach, daß er, als es einmal zwei Gegen¬
päpste gab, den kaiserlich gesinnten bekämpfte und dem nach der Ober¬
herrschaft strebenden zum Siege verhalf.
Die deutschen Bischöfe wurden freilich dadurch immer mehr und
mehr von Rom abhängig. Kein Wunder, wenn viele der hohen Geist¬
lichen im Lande mit ihm nicht einverstanden waren. Dies benutzte
Adalbert, der Erzbischof von Bremen, ein außerordentlich energi¬
scher und thätiger Mann, der seine erzbischöfliche Gewalt gern über
die nordischen Staaten, Dänemark, Schweden und Norwegen einge¬
schlossen, ausgedehnt hätte. Er ruhte nicht, bis er Anteil an der Er¬
ziehung des jungen Königs hatte und nahm ihn endlich ganz zu sich.
Auch er benutzte diese Vormundschaft, sich Güter und Gerechtsame zu
verschaffen, aber er bemühte sich doch, die königliche Oberhoheit überall
im Reiche zur Geltung zu bringen.
Als Heinrich 15 Jahre alt war, wurde er wehrhaft gemacht und
für mündig erklärt. Er hatte eine besondere Vorliebe für Sachsen;
hier hielt er Hof, und noch immer war Adalbert sein Berater. Allein
der Hochmut und die Ländersucht dieses ehrgeizigen Mannes war den
sächsischen Fürsten so verhaßt geworden, daß sie seine Entlassung aus