26 Eine Försterfamilie aus dem Kreise Oletzko vier Wochen in einem Waldversteck.
und fuhr auf meinem Dienstlande auf. Offiziere mit Karten in den Händen
beratschlagten. Wieder jagte die Artillerie auf Wachlacken zu, sie hatten sick-
verfahren. In wilder Flucht zogen sich die Russen zurück und waren am
10. September, mittags, verschwunden.
Mit welcher Freude ich unsere Truppen begrüßte, kann ich nicht be¬
schreiben. Meine Gefangenschaft war somit beendet.
„Nach der „Königsb. Allg. Zeitung".
17. Eine Försterfamilie aus dem Kreise Oletzko
vier Wochen in einem Waldversteck.
Viele Ostpreußen suchten beim Russeneinfall im August 1914 in den
Wäldern Schutz. Sie fuhren mit Kind und Rind ins Dickicht und wohnten
dort. So hatte sich auch ein naher Verwandter von mir, ein Königlich Preu¬
ßischer Hegemeister *), im Walde ein Versteck eingerichtet.
Mit seinem Sohn, der einige Tage später zu den Jägern einrücken
mußte, hatte er schon rechtzeitig eine geeignete Stelle in seinem Revier (spr.
rewier) ausgesucht. Inmitten eines mit dichten, jungen Kiefern bestandenen
Bruches lag eine Anhöhe, nicht weit vom Ufer eines kleinen Sees. Dort
gruben die Männer einen Teil der Bergwand senkrecht ab und bauten aus
Stämmen und Moos eine geräumige Hütte, die mit Rohr bedeckt wurde.
Der Platz war nicht nur schwer zu finden, sondern auch sehr schwer zu er¬
reichen, am leichtesten im Kahn. Letzterer konnte in einem Graben des
Bruches versteckt werden.
Während die Männer noch an der Hütte bauten, schafften Frau und
Tochter Vorräte, Küchengeräte und Betten an den Zufluchtsort. Eines
Tages erschienen die Russen. Eine Abteilung Kosaken sprengte an der Försterei
vorbei auf den nahegelegenen Hof der Domäne**) Polommen im Kreise
Oletzko. Nun war es Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Alle Türen und .
Schränke wurden geöffnet, damit die Russen keinen Anlaß finden sollten,
sie aufzubrechen. Das Vieh im Stalle wurde losgebunden und reichlich mit
Futter versehen, der Tränketrog mit Wasser gefüllt. Nur von seinen Hunden
konnte der Förster sich nicht trennen. Sie wurden mitgenommen und ver¬
hielten sich musterhaft ruhig, als wenn sie wüßten, daß sie durch Bellen
ihren Herrn verraten könnten. Auch ein Netz hatte der Hegemeister mit¬
genommen, das sich als sehr nützlich erwies; denn es wurde jeden Abend in
den See eingestellt und lieferte täglich ein schönes Gericht Fische.
Kaum waren die Bewohner des Forsthauses in ihrer Hütte, als sie
schießen hörten. Der Förster schlich sich hinaus und durch die dichten
Schonungen***) bis an den Waldrand, von wo er beobachten konnte, daß sich
*) Hegemeister — Titel für ältere Förster.
**) Domänen — Güter der Krone, deren Ertrag teils für öffentliche Zwecke, teils
für das regierende Haus verwendet wird.
***) Schonung — junger Baumbestand im Walde, etwa bis zum 20. Jahre; darf
nicht abgeweidet werden.