Eine Forfterfamilie aus dem Kreise Oletzko vier Wochen in einem Waldversteck. 27
eine deutsche Patrouille mit den Kosaken herumschlug. Am nächsten Tage, als
alles still blieb, wagten sich Mann und Frau in die Wohnung. Die Russen
waren darin gewesen und hatten unbeschreiblich gehaust. Die Fenster waren
zerschlagen, alle Behälter geöffnet, der Inhalt war auf die Stuben gestreut.
Wäsche und Kleider hatten sie mitgenommen, das Vieh aber noch nicht.
Nun nahm der Förster alle seine schönen Geweihe und Gehörne von der Wand
und trug sie in den Wald, wo er sie in einer Schonung verbarg. Seine Waffen
hatte er bereits in eine große Kiste gepackt und in einer dichten Schonung
vergraben. Die Frau schaffte noch von Geräten und Vorräten, was sie gut
brauchen konnte, in die Hütte.
Noch öfters wagte sich das Ehepaar, meistens nachts, in das Forsthaus,
um das Vieh zu versorgen. Aber bald war das auch nicht mehr nötig, denn
die Russen hatten es fortgetrieben. Bei diesen Besuchen diente ihnen der
alte, kluge Hühnerhund als Führer. Wenn das Forsthaus leer war, lief er
schnell von dem nahen Waldrand darauf zu und kehrte schweifwedelnd zurück.
War es von Russen besetzt, dann blieb er ruhig im Walde sitzen. Mehr als
einmal begegnete der Förster einer Kosakenpatrouille, vor der er sich ver¬
barg. Doch einmal wurde er beim Verlassen des Hauses von einem russischen
Dragoner überrascht. Jetzt mußte der Hegemeister sich wehren.
Blitzschnell legte er seinen Karabiner auf den Russen an. Aber er
brauchte nicht zu schießen; denn der Dragoner warf sofort seinen Säbel
weg, hob die Hände hoch und begann um Gnade zu bitten. Am ganzen
Leibe zitternd, stieg er vom Pferde, warf sich auf die Knie und bat um sein
Leben. Nur mit Mühe konnte der Förster es ihm begreiflich machen, daß
er von ihm nichts mehr zu befürchten habe. Wie es sich später herausstellte,
hatten die russischen Offiziere die Lüge verbreitet, daß die Deutschen alle Ge- ,
fangenen unter großen Martern töteten. Als der Russe endlich merkte, daß
der Förster ihm nichts zuleide tun wollte, kannte seine Freude und Dank¬
barkeit keine Grenzen; er wollte ihm die Hände küssen, riß sich die Achsel¬
klappen ab und schenkte sie ihm.
Durch die Gefangennahme des Russen erwuchs dem Hegemeister noch eine
schwere Aufgabe; denn er wollte und konnte ihn nicht einfach laufen lassen,
sondern mußte ihn zu unseren Truppen bringen. So wanderten sie denn
einträchtig anderthalb Meilen weit bis zum Kirchdorf, wo deutsche Truppen
lagen. Im Abendgrauen trat der Förster den gefährlichen Rückmarsch an,
denn in dem Raume zwischen beiden Heeren streiften fortwährend Kosaken¬
patrouillen umher. Es gelang ihm aber, glücklich seinen Zufluchtsort
wieder zu erreichen, wo Frau und Tochter schon in großer Sorge um ihn
waren.
So brachte die Försterfamilie, von aller Welt abgeschnitten, ohne jede
Nachricht von den Kriegsereignissen, fast vier Wochen in ihrem Wald¬
oersteck zu. Als nach der Schlacht bei Tannenberg deutsche Truppen auch
dort wieder vorrückten, begaben sie sich in ihr Haus zurück. Aber wie sah
es aus! Alles hatten die Russen zertrümmert. In den Stuben lag der
Schmutz fußhoch. Tagelang hatten die Frauen zu tun, um das Haus not-