Full text: Bilder aus dem Weltkrieg (Teil 1)

Aus der Zeit des zweiten Nusseneinfalls in Ostpreußen. 
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Schweinebraten, Zigarren, Wein, Kuchen, Brot, Butter, alles in großer 
Fülle. Die russischen Gefangenen haben es bei uns wie im Himmel." 
Der Russe horchte auf, und seine Augen leuchteten vor seliger Hoffnung: 
„Bruder, ich möchte schon, für mein Leben gern — aber —" Er hielt an und 
flüsterte geheimnisvoll: „Die verfluchten Kosaken! — Die passen auf! diese 
Teufel!" 
Dann reichten wir uns die Hand. Und nun ging es ans Schleichen und 
Ducken. Solange die Nacht währte, kamen wir vorwärts. Der Morgen brach 
an. Schon waren wir in der Nähe von Buddern. Da auf einmal taucht vor 
uns eine Schwadron Kosaken auf. Ach, wir konnten ihnen nicht entfliehen. 
Und bald kamen sie heran und forschten. Der Russe sagte ihnen Bescheid. 
Er habe mich als Gefangenen zum General nach Groß P. zu bringen und den 
Weg verfehlt. Sie ließen uns nun gehen, aber nicht vorwärts gegen die 
deutschen Linien, sondern rückwärts. Unser Plan war vereitelt. 
Wir kamen zum Hauptquartier nach Groß P. Hier fanden wir noch viele 
andere deutsche Landbewohner als Gefangene: Greise, Männer, Frauen und 
Kinder. Unter ihnen sah ich auch den alten Glöckner aus Kutten, Kadzun. 
Der General betrachtete mich und sagte: „Pascholl, wieder nach Hause!" 
Ich bat um eine Bescheinigung, damit mich die russischen Posten durchlassen 
möchten. Er sagte: „Ich habe keine Zeit. Mein Pferd ist gesattelt, ich muß 
fortreiten." 
Es war so, wie ich befürchtete. Die Russen ließen mich nicht nach 
Hause zurückkehren, sondern führten mich mit den anderen Gefangenen zu 
Fuß über Kutten, Lissen, Rotebude und Eichen nach Marggrabowa und dann 
über die Grenze nach Suwalki. 
In Suwalki blieben wir zwei Tage. Dort schickte uns der Kommandant 
zurück nach Marggrabowa. Hier waren etwa 3000 Leidensgefährten zu¬ 
sammengetrieben. In den großen Schulhäusern waren wir eingesperrt, 65 
bis 100 in einem Zimmer. Bänke und Tische hatten die Russen schon vorher 
verbrannt. Ein Strohlager gab es auch nicht. Wir mußten auf dem harten 
Boden schlafen. Wir gewöhnten uns auch daran, obgleich die Glieder sehr 
schmerzten. 
Zuletzt wurden wir gesichtet. Alle Personen zwischen 15 und 50 Jahren 
wurden ins Innere Rußlands abgeführt. Uns Altere ließ man nach Hause 
gehen. Jeder bekam einen Erlaubnisschein, heimzukehren. Aber der nützte 
uns doch nichts. Auf unserer Rückkehr wurden wir in Eichen von den Kosaken 
aufgehalten und nach dem Dorfe Czukten im Kreise Oletzko zurückgebracht. 
Hier lebten wir von dürftiger Nahrung bis zu unserer Befreiung durch 
den großen Sieg Hindenburgs. 
Als ich dann heimkehrte, fand ich mein Haus und Hof wüst und leer, 
das Dach zertrümmert, Fenster und Türen herausgerissen und verbrannt. 
Stühle, Tische und Betten sind fort. Es regnet und schneit in die Wohnung 
hinein. 
Da stand ich nun in meinem eigenen Heim als Bettler — ich, der reiche 
Hundsdörfer, ein elender Bettler! Da nahm ich meine einzige Habe, den
	        
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