Full text: Bilder aus dem Weltkrieg (Teil 1)

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ist die Städteordnung. Da die Bürger in allen städtischen Angelegenheiten 
vom Staate bevormundet wurden, beteiligten sie sich wenig oder gar nicht 
an der Verivaltnng ihrer Stadt. Der schlummernde Gemeinsinn der Bürger 
mußte geweckt werden. Darum gab ihnen der König das Recht der Selbst- 
Verwaltung durch den Erlaß der Städteorduuug 1808. Der Staat behielt 
sich nur die Rechtspflege und in den größeren Städten die Polizeigewalt 
vor (Berlin,). Die Städte verwalteten fortan selbständig ihren Haushalt, 
ihr Armen-, Schul- und Bauwesen. Nach dem neuen Gesetz wählten die 
Bürger aus ihrer Mitte die Stadtverordneten und diese wieder ben Magistrat; 
die Mitglieder desselben sind die Stadträte oder Ratsherren; an der Spitze 
steht der Bürgermeister, in den großen Städten der Oberbürgermeister. Die 
Stadtverordneten haben in allen Gemeindeangelegenheiten zu beschließen; 
die Ausführung ihrer Beschlüsse ist Sache des Magistrats. Alle Gemeinde¬ 
ämter sind Ehrenämter mit Ausnahme derjeitigeu, die mit ausgebildeten 
Beamten besetzt werden müssen. Seit dem Erlaß der Städteordnung haben 
wir einen kräftigen, freien Bürgerstaud, der nicht nur für die öffentlichen 
Angelegenheiten seiner Stadt, sondern auch für die des ganzen Staates rege 
Teilnahme zeigt; 
d) Die Bauernbefreiung. Traurige Lage der Bauern. Ebenso 
notwendig, wie für die Städte die Selbstverwaltung, war für das Land 
die Befreiung der Bauern. Ursprünglich tvaren die ostelbischen preußischen 
Bauern freie Grundeigentümer gewesen. Im Laufe der Jahrhunderte aber 
war ihr Los sehr traurig geworden. Die adligen Grundherren erlangten 
über ihre Bauern die Polizeigewalt und die niedere Gerichtsbarkeit. Ihre 
obrigkeitliche Gewalt mißbrauchten sie dazu, die Battern auch wirtschaft¬ 
lich von sich abhängig zu machen; diese mußten ihnen Hand- und Spann¬ 
dienste leisten. Außerdem strebten die Gutsbesitzer danach, ständig ihren Be¬ 
sitz zu vergrößern; dies geschah durch das zuerst gütliche, dann gewaltsante 
Anskaufen der Bauernhöfe. Wenn ein Bauer durch Unglücksfälle, wie Bieh- 
seucheit und Mißernten, in Not geriet, so kaufte der Edelmann den Bauern¬ 
hof für billiges Geld. Starb ein unfreier kinderloser Bauer, so vereinigte 
der Grundherr häufig die Bauerustelle mit seinem Rittergute. Die Ein¬ 
ziehung erledigter Banernstellen und das Auskauseit der Bauern durch die 
Gutsherren nannte mau das Bauernlegen. Es blühte am üppigsten nach 
dem 30jährigen Kriege, wo die Edelleute das herrenlos gewordene Bauern¬ 
land für sich einzogen. Nur in Ostpreußen und Litauen hatten sich die 
freien Bauern in größerer Zahl erhalten; in den übrigen ostelbischen Landes¬ 
teilen wurden fast alle Bauern erbuntertänig. Sie waren mit ihren Kindern 
an die Scholle gebunden; heiraten durften die Bauernsöhne und -Töchter 
nur mit Einwilligung des Grundherrn; dieser konnte auch verlangen, daß 
die Bauernkinder auf seinem Gute als Knechte und Mägde dienten. Nur 
mit seiner Erlaubnis durften sie sich auswärts einen Dienst suchen. Das 
Besitzrecht der erbuntertänigen Bauern war sehr verschieden. Es gab Erb¬ 
zinsbauern, denen die Banernstelle erb- und eigentümlich gehörte; sie hatten 
dem gruudherrlichen Obereigeutümer nur die auf der Stelle lastenden Fronden
	        
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