Full text: Bilder aus dem Weltkrieg (Teil 1)

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Bilder aus der Winterschlacht in Piasuren. 
Kavallerie, die unseren Vormarsch zu verzögern suchte. Viel hemmender aber 
war das Gelände. Es fließen nämlich von Osten her zahlreiche Bäche, deren 
schluchtartige Betten mit den steilen, vereisten und verschneiten Abhängen 
uns immer wieder fast unüberwindliche Hindernisse entgegenstellten. Ge¬ 
schütz für Geschütz, Fahrzeug für Fahrzeug mußte hier mit Hilfe unserer 
braven Pioniere an Seilen herabgelassen und auf der anderen Seite wieder 
heraufgezogen werden. Und dabei galt es, durch schnellen Vormarsch den 
Feind zu überraschen, ihm den Rückzug zu verlegen. 
Es ging unaufhaltsam weiter, oft im Eilmarsch, oft im Trab. Hier 
stürzte ein Pferd, dort blieb ein Wagen im Schnee stecken. Endlos lang wurde 
die Marschkolonne. Aber „vorwärts" hieß es für alle, und was die Hinder¬ 
nisse überschritten hatte, eilte nach vorn, um den Anschluß zu erreichen. 
Aber die Nacht brach herein, und wir tvaren noch meilenweit entfernt 
vom Ziel. Der östliche Horizont war erleuchtet von brennenden Dörfern, 
ein sicheres Zeichen, daß der Feind bereits im Rückzug war. Da galt es, 
mit eiserner Willenskraft die ermatteten Truppen vorwärts zu treiben, und 
die ganze Nacht hindurch wälzte sich die Marschkolonne dem Ziele zu, oft nur 
in langen Reihen vorwärts stampfend und gegen den eisigen Südostwind 
mühsam ankämpfend. 
Die fast übermenschlichen Anstrengungen sollten belohnt werden. In 
den ersten Morgenstunden erreichten wir W., das mit stürmender Hand ge¬ 
nommen wurde; über tausend Gefangene fielen in unsere Hände. Der Feind 
war nach Süden geflohen und sandte uns seine eisernen Grüße in die Stadt, 
in der die Truppen einige Stunden ruhten. 
Am Nachmittag setzte die Division den Vormarsch fort. Die an allen 
Ecken brennende Stadt beleuchtete uns zunächst den Weg, und schon nach 
wenigen Kilometern, nachdem die Dunkelheit eingebrochen war, stießen wir 
wieder auf den Feind, der in drei hintereinander liegenden Stellungen mit 
starken Kräften stand. 
Fast schien es, als ob sich auch die Natur mit den Russen verbündet hätte, 
um dem Eindringling den Weitermarsch zu verwehren. Der eisige Ostwind 
trieb den wie Messer schneidenden Schnee ins Gesicht und benahm fast den 
Atem, die Kälte ließ die Glieder erstarren, und die Haut klebte an den Eisen¬ 
teilen der Gewehre. Manchmal glaubte man, vom Sturm umgerissen zu 
werden, und hatte das Gefühl, trotz der dicken Mäntel nackt dem Unwetter 
preisgegeben zu sein. 
Aber die unvergleichliche Tapferkeit der Truppen überwand alle Hinder¬ 
nisse, und die ersten Morgenstunden sahen uns im Besitze der feindlichen 
Stellungen. In regelloser Flucht war der Feind, eine ganze Reservedivision, 
entwichen. Die genommenen Schützengräben lagen voll von Toten, und 
Tausende von herumliegenden Gewehren Zeigten uns die Größe des Erfolges. 
An 1000 Gefangene und viel Material, darunter große Flugzeuge, waren die 
Beute des Tages. Zwar hatten auch unsere Truppen gelitten, und manch 
armer Verwundeter mag der grimmigen Kälte erlegen sein. Aber das er¬ 
hebende Gefühl des Erfolges trieb alles vorwärts. Am Abend erreichten wir
	        
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