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dem hohlen Berge, wo sie verwahrt sind, aus das schiff zu bringen; sie
langen an, werden Kriemhilden übergeben, und es kommt eine Sühne, doch
nur zwischen ihr und ihren Brüdern, nicht auch zwischen ihr und Hagen zu
Stande. Nun spendet nach alter Königssitte Kriemhild reichlich an Arme und
Reiche von ihren Schätzen; das Geben ist ihr ein Trost in ihrem Leide. Aber
wiederum tritt der grimmige Hagen von Tronei ihr feindselig in den Weg;
er fürchtet, sie möchte durch ihre milde Freigebigkeit so Viele zu ihrem Dieuste
gewinnen, daß es der Herrschaft der Landeskönige selbst Schaden thun werde.
In Widerspruch mit Günther und dessen Brüdern nimmt Hagen die Schlüssel
und somit auch den Schatz selbst weg. Gernot räth, das Gold in den Rhein
zu senken, damit es Niemand angehöre. Zugleich schwören sich sämmtliche
Betheiligte zu, so lange einer von ihnen lebe, Niemand zu entdecken, wo der
Schatz verborgen sei. So versenkt Hagen den Nibelungenhort in den Rhein,
und dort liegt er ltad; der Sage des Volkes zwischen Worms und Lorsch bis
auf den heutigen Tag.
Seitdem auf diese Weile der Hort der Nibelungen in die Gewalt der
Bnrgunden gekommen ist, führen sie selbst, wie früher Siegfried wegen des
Besitzes desselben Schatzes der Nibelung oder der Nibelungen Herr genannt
wird, den Namen Nibelungen, und davon hat der zweite Theil des Epos zur
Zeit seiner Abfassung den Namen Nibelungen-Noth, das Ganze in unserer
^eit die Bezeichnung Nibelungenlied erhalten.
Nach Dilmar.
26. Kudrnn.
d. E-ine andere deutsche Heldensage, deren Schauplatz die Nordsee und
ihre Küstenländer sind, ist die von der snngfrünlichen Gudrnn, das heitere
Seitenstück der Nibelungen.
In diesem Gedichte ist die Sage von drei Geschlechtern enthalten: von
Hagen, dem Könige von Irland, von der Werbung des Hegelingen- oder
Friesenkönigs Hettel um dessen Tochter Hilde, und endlich von Gndrun, der
Tochter von Hettel und Hilde.
Von Hagen wird erzählt, er sei als ein Kind von einem Greifen ent¬
führt, in der Wildnis; aufgewachsen, und auf einem Schisse sei er wieder nach
Irland zurückgebracht worden.
Seine Tochter Hilde zieht er sorgsam auf und hütet sie ängstlich. Ver¬
geblich haben schon Viele um sie geworben, da sendet auch der Friesenkönig
Hettel den berühmten Sänger, den Stormarnkönig Horant nebst seinen
Mannen, Frute und Wate, zu Hagen, und sie gewinnen dessen Gunst durch
ansehnliche Geschenke.
Wate, der breitbärtige riesige Held, bequemt sich, bei den Frauen sich
niederzulassen, und diese fragen ihn scherzend, wie er ernst da sitzt, bunte
Borten um das dichtbehaarte Haupt gewunden, was ihm wol lieber sei, bei
den Frauen zu sitzen, oder in hartem Streit zu fechten? Und der mächtige
Kämpe, der in der Schlacht wie ein wilder Eber wüthete, antwortete ohne
Besinnen: wol dünke ich es gut bei sittigen Frauen zu weilen, aber doch noch
viel sanfter, in harten Stürmen mit dem Heergesolge zu fechten. Da lachen
laut die Königinnen und fragen: ob dieser Mann denn auch wol Weib und
Kinder daheim habe? Schon ist auf diesem Wege einiges Wohlwollen für
die Werbung gewonnen, da erhebt Horant seinen wunderbar süßen Gesang an
einem stillen Abende in der Burg des Königs am Seenfer, und die Vöglein
lassen den Schall ihres Abendliedes schweigen vor dem lieblichen Tone des