Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

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Ja, durch ihre Laster gerieten sie endlich in solche Erschlaffung, daß 
sie sich gar nicht mehr um die Negierung kümmerten. Nur bei der großen 
Heerschau, die jedes Frühjahr gehalten wurde, bekam das Volk seinen 
König zu sehen. Da fuhr er nach alter Sitte auf einem von Ochsen ge¬ 
zognen Wagen nach der Versammlung, setzte sich auf den Thron und 
ließ sich von dem Volke das herkömmliche Geschenk reichen. Die Re¬ 
gierung des Reiches überließ er ganz seinem obersten Diener, der 
Hausmeier genannt wurde. 
2. Larl Marlell. Manche dieser Hausmeier waren sehr tüch¬ 
tige Männer. Besonders ragte unter ihnen hervor Karl mit dem 
Beinamen Martell oder Hammer, weil er wie ein Hammer alle 
Feinde niederschlug. Als die Araber von Spanien aus in Frankreich 
eindrangen, zog Karl mit seinen Franken gegen sie aus und schlug sie 
bei Tours und P oitiers in einer gewaltigen Schlacht (732). Hun¬ 
derttausende der Araber wurden getötet, die übrigen flohen nach Spa¬ 
nien zurück. Es war ein herrlicher, wichtiger Sieg. Wäre das Christen¬ 
heer erlegen, wer kann sagen, wie weit sich die Araber Europa unter¬ 
worfen hätten, und ob nicht der Islam an die Stelle der göttlichen 
Lehre Jesu Christi getreten wäre. 
3. Pippin der Kleine. Auf Karl Martell folgte als Haus¬ 
meier sein Sohn Pippin der Kleine. Der besaß trotz seines 
kleinen Wuchses eine ungewöhnliche Körperstärke. Als einst bei einem 
Tiergefechte die Großen des Reiches über seine kleine Gestalt scherzten, 
trat er auf den Kampfplatz, zog sein Schwert und schlug einem Löwen, 
der einen Stier zu Boden geworfen hatte, mit einem einzigen Hiebe 
den Kopf ab. Und wiederum mit einem Streiche trennte er auch 
den Kopf des Stieres vom Rumpfe. „David war klein," sagte er stolz, 
„und doch erschlug er den hochmütigen Niesen, der es gewagt hatte, 
ihn zu verhöhnen." Mit kräftiger Hand und klugem Sinne lenkte 
Pippin das Reich. Der schwache König dagegen saß untätig in seinem 
Paläste und war in völlige Verachtung gesunken. Da dachte Pippin 
daran, die Königskrone auf sein eigenes Haupt zu setzen. Er sandte an 
den Papst und ließ ihn fragen: „Wer verdient König der Franken zu sein: 
der das Reich regiert, oder der nur den Königsnamen trägt ?" Der Papst 
antwortete: „Wer regiert, soll auch König heißen." Pippin schickte 
darauf den unfähigen Fürsten als Mönch in ein Kloster und ließ sich 
auf einem Reichstage feierlich zum König ausrufen (751). Dem Papste 
bewies er sich dankbar. Mit starker Heeresmacht zog er nach Italien, 
eroberte ein Stück Land m der Nahe von Rom und machte es dem Papste
	        
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