und König Günther, der es längst gemerkt hatte, weshalb Siegfried
so lange an seinem Hofe weilte, ließ dabei, um den Gast besonders zu
ehren, die Frauen erscheinen. Siegfried sah die Jungfrau jetzt zum
erstenmal, und sein Herz entbrannte in Liebe zu ihr; als sie hold
grüßend sich vor ihm neigte und ihm den Dank aussprach für seine
tapfere Hilfe, da gestand er ihr, daß er nur ihr zu Liebe ihren Brü¬
dern seine Dienste gewidmet. Zwölf Tage währte das Fest. Der Bund
der Herzen war geschlossen, aber in edler Bescheidenheit hielt sich der
Held des Glücks, eine so wonnige Jungfrau sein eigen zu nennen,
nicht für wert, und er zögerte noch immer seine Werbung auszu¬
sprechen.
5. Günthers Werbung um Brunhilde. Da gab eines
Tages König Günther seine Absicht kund, übers Meer nach I s la n d zu
fahren, um die schöne Fürstin Brunhilde zu erwerben. Schon man¬
chen Freier hatte der Ruf ihrer Schönheit nach ihrem Lande gelockt;
aber sie wollte keinen zum Gemahl haben, der nicht stärker wäre als sie
selber, und keiner hatte sie zu besiegen vermocht. Denn sie war riesen¬
stark und wie ein Mann in allen Waffenübungen wohl erfahren. Sieg¬
fried allein kannte sie und den Weg in ihr Land. Er warnte anfangs
Günther vor dem gefährlichen Unternehmen, doch als dieser von seinem
Plane nicht abging, erbot er sich, ihm im Kampfe beizustehen, unter
der Bedingung, daß ihm Günther seine Schwester zur Gattin gäbe.
Freudig willigte der König ein, und man begann die Zurüstungen zur
Fahrt. Nur Hagen und Dankwart begleiteten die Herren, Siegfried
war der Führer des Schiffs. Sie fuhren den Rhein abwärts ins
Meer hinaus und sahen nach zwölf Tagen die Burgen von Island
vor ihren Blicken auftauchen. Sie landeten, bargen ihr Schiff am
Strande und eilten auf die Feste Jfenstein zu. Brunhilde erschaute die
Fremdlinge vom Fenster, und ihrer Frauen eine erkannte von weitem
Herrn Siegfried. Brunhilde ging, die Helden zu begrüßen und nach
ihrem Begehr zu fragen. Als sie Siegfried vor den andern den Gruß
entbot, sprach er: „Nicht also, edle Königin, meinem Herrn, König
Günther, gebührt der erste Gruß; ich bin sein Gefolgsmann und habe
ihm den Weg gewiesen in euer Land, denn er kommt, um eure Minne
zu erwerben und eure Spiele zu bestehen." Siegfried hatte damit, um
sein Erscheinen zu erklären, eine Unwahrheit gesagt. Hätte er ahnen
können, wie bitter sie ihn einst gereuen würde, er hätte das Wort wohl
ungesprochen gelassen.
Da die Königin der Gäste Begehr vernommen, befahl sie ihren