Full text: Geschichte des Mittelalters (Band 2)

Das Interregnum. — Erneuerung des Königtums. J 01 
mehr gab, welche die Ritterschaft des Reiches zu großen Unterneh¬ 
mungen, wie Nömerfahrten, Kreuzzügen oder Reichskriegen aufboten, 
verarmten viele ritterliche Familien so sehr, daß ihre Mit¬ 
glieder sich oft dem Räuberhandwerk ergaben. Dieses Raubrittertum 
wurde eine Plage für ganz Deutschland und verschuldete einen Zu¬ 
stand der Rechtlosigkeit, unter dem besonders der Handel leiden mußte. 
Deshalb schlossen schon damals bedeutende Städte am Rhein ~tstft|^eunb 
uud in Niederdeutschland Bündnisse, um ihre Warensendungen mit 
bewaffneter Bedeckung zu schützen und ihre Freiheit und Rechte gegen 
das „Faustrecht" des übermütigen Adels zu verteidigen. 
* Erneuerung des deutschen Königtums 1273. 
lim dem Raubwesen des niederen Adels zu steuern, entschlossen 
sich die Fürsten 1273, dem Reiche wieder ein Oberhaupt zu geben. 
Aber die Anschauungen von den Rechten und Pflichten eines deut¬ 
schen Königs wie von der Berechtigung, an der Wahl eines solchen 
teilnehmen zu dürfen, hatten sich unterdessen merklich geändert. 
Ursprünglich hatte jeder freie deutsche Manu das Recht, an der Das Kur- 
Königswahl teilzunehmen. Selbstverständlich sän den sich jedoch nie sürsten- 
alle Freien aus ganz Deutschland ein, sondern in der Regel nur follc9nim- 
die mächtigsten Fürsten. Schon während der Regierung Friedrichs II. 
setzte sich aber die Anschauung fest, daß nur sieben Fürsten berechtigt 
feien, den König zu küren, d. i. zu wählen. Als solche zur Kur 
ober Wahl berechtigte, bie daher Kurfürsten genannt wurden, galten 
die brei Erzbischöfe von Maiuz, Köln unb Trier, ber Pfalzgraf bei 
Rhein, ber Herzog von Sachsen, ber Markgras von Braubenburg 
unb ber König von Böhmen. Des letzteren Kurstimme würbe eine 
Zeit lang auch von Bayern beansprucht. 
Als sich bie Kurfürsten 1273 wieber zu einer Wahl entschlossen, 
waren sie nur von bem einen Ziel geleitet, einen König zu füren, 
der mächtig genug sei, gegen ben Raubabel mit Erfolg einzuschreiten, 
vermieben es aber, einen zu erheben, ber im staube gewesen wäre, 
ihre eigene Macht zu schmälern. Daher wählten sie keinen von 
ben großen Fürsten bes Reiches, fonbern einen Grasen mit ver¬ 
hältnismäßig geringem Hausgut unb schrieben ihm noch Bebinguugen 
vor, an bie sie ihre Wahl knüpften; befonbers mußte er sich ver¬ 
pflichten, zu allen wichtigen Regierungshanblungen vorher bie Zu¬ 
stimmung ber Kurfürsten durch sog. „Willebriefe" einzuholen. Diese 
Versprechungen des zu Wählenden hat man später „Wahlkapitulationen" 
genannt; durch sie band sich der König von norneherein die Hände 
unb verpflichtete sich, bie Regierung im Sinne sei ier Wähler zu führen.
	        
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