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schaft gestanden. Durch die sogenannte erste Teilung Polens
(1772) erwarb Friedrich der Große dieses wichtige Gebiet, und
nannte sich nun nicht mehr König in Preußeu, sondern König
von Preußen. 5>tt jämmerlichen Zustand war Westpreußen
unter der Polenherrschast geraten. Friedrich sandte sofort eine
Menge seiner besten Beamten in die neue Provinz; Gerichte,
Schulen, Postanstalten wurden errichtet, Straßen gebaut, die
Weichsel mit Oder und Elbe durch einen Kanal verbunden, und
fleißige Ansiedler ins Land gerufen. Aber alle Teile des König¬
reichs erfreuten sich ähnlicher Fürsorge. So ließ Friedrich zwei
öde Sumpfgegenden, den Oder- und den Warthebruch, mit
Dämmen umziehen, welche das Wasser ablenkten und
350 000 Morgen Sumpf zum fruchtbarsten Ackerland um¬
wandelten. Als der König das fertige Werk besichtigte, sagte
er: „Hier habe ich eine Provinz im Frieden erobert."
3. Friedrichs Leutseligkeit. — Seinen Unter¬
thanen war Friedrich ein gütiger, leutseliger Herr. Auch dem
Geringsten seines Volkes bewies er sich sreuudlich. Als einst
aus der Reise die Pferde gewechselt wurden, drängte sich ein
altes Mütterchen dicht an den königlichen Wagen. „Was
wollt Ihr?" fragte der König. „Nur Ew. Majestät Angesicht
sehen und sonst nichts weiter," erwiderte die Alte. Der König
gab ihr einige Friedrichsdor und sagte: „Seht, liebe Frau,
aus diesen Dingern könnt Ihr mich ansehen, so oft Ihr wollt."
— Freimütige Reden nahm der König nicht übel; auch ein
dreistes Wort ließ er sich gefallen, wenn es nur treffend war.
Einen Soldaten, dessen Gesicht mehrere tiefe Narben hatte,
die er bei Kolin erhalten, fragte er bei der Musterung: „In
welcher Bierschenke hast du dir denn die Hiebe geholt?" „Bei
Kolin," war die Antwort, „wo Ew. Majestät die Zeche bezahlt
haben." Dem General Seydlitz, welchem er vorzüglich den
Sieg bei Roßbach verdankte, sagte er einst bei einer Truppen¬
schau: „Mein lieber Seydlitz, ich dächte, Sein Regiment ritte
schlechter, als meine übrige Kavallerie." „Ew. Majestät," er¬
widerte Seydlitz, „bas Regiment reitet heute noch wie bei
Roßbach." Seitbem vermieb es ber König, Bemerkungen zu