Full text: Erzählungen aus der deutschen Geschichte

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ständiges Geschrei, welches Rache forderte für Preußens Sieg 
bei Königgrätz, gleich als wäre dadurch der Ruhm des allein 
siegberechtigten Frankreich verkürzt worden. „Der Rhein ist 
Frankreichs natürliche Grenze," riefen zahlreiche franzö¬ 
sische Stimmen aus, obgleich der Rhein von alters her ein 
deutscher Strom gewesen und fein ganzes westliches User- 
gebiet nur in der Zeit der napoleonischen Weltherrschaft etliche 
Jahre zum französischen Reiche gehört hatte. Doch Deutschland 
blieb seinem Nachbarvolke gegenüber ruhig und friedlich, wenn 
auch König Wilhelm festen Mutes erklärte: „Kein fußbreit 
deutscher: Bodens wird hergegeben." 
2. Vorwand zum Kriege. — Unterdessen verstärkte 
der Franzosenkaiser Napoleon III. fort und fort seine Wehr¬ 
kraft, und machte gewaltige Kriegsrüstungen. Da fein wankel¬ 
mütiges Volk anfing, feiner strengen Herrschaft allmählich über¬ 
drüssig zu werden, glaubte er, durch Waffenthaten der französi¬ 
schen Ruhmbegierde schmeicheln zu müssen, um seinen wanken¬ 
den Thron neu zu befestigen. Heimlich, aber eifrig, suchte er 
nach einer Gelegenheit zum Losbruch gegen das gehaßte Preußen. 
Da fand sich plötzlich ein Vorwand, der freilich schlecht genug 
war. Im Sommer 1870 wollten die Spanier, deren Thron 
erledigt war, den Prinzen Leopold von Hohenzollern- 
S i g m a r i n g e n, einen entfernten Verwandten des preußischen 
Herrscherhauses, zu ihrem Könige machen. Das ging zwar den 
französischen Kaiser ganz und gar nichts an; allein weil er ein¬ 
mal durchaus Streit wollte, so that er, als werde durch jene 
Königswahl die Macht Preußens bedrohlich gesteigert; er schickte 
daher feinen Gesandten nach dem Bade Ems, wo der König 
von Preußen, eine neue Kriegsgefahr nicht ahnend, sich gerade 
aufhielt, mit dem sonderbaren Verlangen, der König solle feinem 
Vetter die Annahme der spanischen Krone untersagen. Es war 
natürlich, daß diese ungebührliche Forderung abgelehnt wurde, 
wenngleich der wackere hohenzollerische Prinz, der nicht den 
Anlaß zu einem ungerechten Mutigen Kriege bieten mochte, so¬ 
fort aus eigenem Entschlüsse aus die angebotene Königskrone 
Verzicht leistete. Jetzt aber zeigte sich recht Napoleons frevel-
	        
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