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zu geraten. Welch eine Demütigung für den mächtigen Kaiser!
Jetzt gab er alle Hoffnung auf, die Protestanten noch zu be¬
wältigen. Er ließ die gefangenen Fürsten sogleich frei und
schloß sodann mit den Protestanten den Augsburger Re-
ligionssrieden (1555), in welchem ihnen gestattet wurde,
fortan im ganzen deutschen Reiche ihre Religion frei aus¬
zuüben.
3. Karl V. stirbt im Kloster. — Dieser Ausgang
mußte den alten Kaiser tief niederdrücken. Er sah alle seine
früheren Pläne vereitelt. Er erkannte, wie trügerisch alle
irdische Macht und Größe ist. Darum beschloß er, die Last der
Krone nicht länger zu tragen. Er übergab die meisten seiner
Länder (Spanien, die Niederlande und die Besitzungen in
Italien und Amerika) seinem Sohne Philipp, die österreichi¬
schen Länder und die deutsche Kaiserwürde erhielt sein Bruder
Ferdinand. Dann zog er sich in das spanische Kloster St. Just
zurück und verbrachte seine Tage mit Gebet, Gartenbau,
Drechslerarbeiten und Uhrmachen. Viel beschäftigte er sich
mit dem Gedanken an den Tod. Dabei kam ihm einst der
sonderbare Einfall, noch bei seinen Lebzeiten sein Leichenbe¬
gängnis zu feiern. Er legte sich in einen offenen Sarg, ließ
sich von den Mönchen in die schwarz ausgeschlagene Kirche
tragen, Grablieder singen und Seelenmessen halten. Rings
umher brannten Wachskerzen, und eine dumpfe Trauermusik
hallte durch das weite Gewölbe. Das alles erschütterte ihn so
tief, daß er schon wenige Tage darauf — zwei Jahre, nachdem
er die Krone niedergelegt hatte — wirklich starb.
36. Der dreißigjährige Krieg. Tilly und Wallenstein.
1. Aufstand in Böhmen. — Seit dem Augsburger
Religionssrieden herrschte zwar eine Zeitlang äußere Ruhe im
deutschen Reiche; aber Zwietracht und Hader zwischen Katho¬
liken und Protestanten dauerten fort. In manchen Landen
wurden die Protestanten von ihren katholischen Fürsten hart
bedrückt. So namentlich in Böhmen, dem Vaterlande des
Johann Huß (s. Nr. 26), wo die Reformation weite Ver-