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zagten wieder Mut einzuflößen, des Volkes Kräfte zu heben und
Gemeinsinn und echte Vaterlandsliebe in den Herzen zu wecken.
Namentlich wurde nun die Leibeigenschaft und Erbuuterthämg-
keit des Bauernstandes noch vollends beseitigt. Den Städten
wurde das Recht verliehen, ihre Angelegenheiten selbständig zu
verwalten. Für den Heeresdienst wurde durch den Kriegs¬
minister Scharnhorst die allgemeine Wehrpflicht
eingeführt. Zwar wurde der Minister Stein von Napoleon in
die Acht erklärt, und mußte nach Österreich und dann nach
Rußland fliehen; aber auch dort ließ er nicht ab, für Deutsch¬
lands Erhebung zu wirken.
8. Napoleons Weltherrschaft. — Indes schien
Napoleon jetzt ganz unüberwindlich geworden. Sein Reich
hatte einen ungeheuren Umfang gewonnen; die Fürsten fast
aller übrigen Länder Europas beugten sich vor seiner Gewalt.
Um feinem Throne den höchsten Glanz zu verleihen, vermählte
er sich jetzt, nachdem er sich von seiner bisherigen Gemahlin treu¬
los geschieden hatte, mit einer Prinzessin aus dem ältesten und
vornehmsten Herrscherhause, Maria Luise, der Tochter des
Kaisers Franz von Österreich. So schien seine Herrschaft un¬
erschütterlich befestigt zu sein. Nur das seemächtige England
stand ihm noch feindlich entgegen. Mit aller seiner Heeres¬
macht vermochte er dem stolzen Jnselvolke nicht beizukommen.
Da suchte er den hartnäckigen Feind auf andere Weise zu be¬
zwingen. Er verschloß den englischen Schiffen alle Seehäfen
des Festlandes, um dadurch den Handel zu vernichten, auf
welchem Englands Reichtum und Stärke beruhte. Was küm¬
merte ihn der unermeßliche Schaden, den die Stockung des
Handels auch den übrigen Ländern Europas bereitete? Sie
mußten sich von dem Gewaltigen alles gefallen lassen.
51. Napoleons Zug nach Rußland.
1. Die großeArmee. —- Auch das große Rußland
fügte sich eine Zeitlang Napoleons Machtgebot und stellte den
Verkehr mit England ein. Allein da der Kaiser Alexander inne¬
ward, welcher Schaden seinem Volke aus dieser Handelssperre