Full text: Erzählungen aus der deutschen Geschichte

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schuß schwer verwundet; an seiner Statt übernimmt General 
W i m p f f e n die Führung des französischen Heeres. Enger und 
immer enger schließt sich der feindliche Gürtel um die Franzosen; 
von mehreren Seiten zugleich stürmen die Scharen des preußi¬ 
schen Kronprinzen auf sie ein; auf der andern Seite bedrängt 
sie der Kronprinz von Sachsen; rund um Sedan rollt der Donner 
der siegreich fortschreitenden Feldschlacht. Gegen drei Uhr 
nachmittags flüchtet sich der Feind nach ungeheuren Verlusten 
hinter die Mauern von Sedan. Sie bieten dem völlig zerrütteten 
Heere keine Rettung mehr; vernichtend fallen die feindlichen 
Bomben und Granaten in die wirren, dichtgedrängten Knäuel 
von entmutigten, verzweifelnden Soldaten, die alles verloren 
sehen. Der Kaiser Napoleon, welcher dem Kampfe beigewohnt, 
sucht umsonst, durch einen ehrenvollen Kriegertod der Schmach 
zu entgehen; keine Feindeskugel weiß seine Brust zu finden. Da 
schreibt der Tiesgedemütigte an den König von Preußen: „Weil 
es mir versagt war, an der Spitze meiner Truppen zu sterben, 
überreiche ich Ew. Majestät meinen Degen." Samt ihm ergiebt 
sich das ganze noch übrige Franzosenheer, 85000 Soldaten mit 
dem Marschall und allen seinen Offizieren, mit 500 Kanonen 
und allen Adlern dem Sieger. Es war ein unermeßlicher Er¬ 
folg, ein Sieg ohnegleichen. Gottes Strafgericht war über den 
hoffärtigen Frevler ergangen. Nie, so lange Kriege geführt 
werden, hatte eine so zahlreiche Armee vor dem Feinde die 
Waffen gestreckt. Am Tage nach der Schlacht stellte sich Napoleon 
selbst dem Könige Wilhelm als Gefangener. Das Schloß 
Wilhelmshöhe bei Kassel wurde ihm zum Aufenthalt angewiesen. 
Den sieggekrönten König von Preußen aber umrauschte, als er 
die Reihen seiner begeisterten Krieger durchritt, der vieltausend¬ 
stimmige Gesang: 
„Heil dir im Siegerkranz, 
Herrscher des Vaterlands, 
Heil, König, dir!" 
„Welch eine Wendung durch Gottes Führung!" schrieb 
der König an seine Gemahlin.
	        
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