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Seine Worte drangen dem Volke zu Herzen, und von Tag zu
Tag mehrte sich die Zahl seiner Anhänger. Da that ihn der
Papst in den Bann. Luther aber erschrak nicht. Er zog mit
einer großen Schar von Studenten und Magistern vor das
Thor von Wittenberg, ließ dort ein Feuer anschüren und warf
vor allem Volk den päpstlichen Bannbries in die Flammen mit
den Worten: „Weil du den Heiligen des Herrn betrübet hast,
so betrübe und verzehre dich das ewige Feuer!" Hiermit sagte
er sich vom Papste völlig los.
32. Luther auf dem Reichstage zu Worms und auf
der Wartburg.
1. Luthers Berufung vor den Reichstag. —
Nicht lange danach hielt der Kaiser Karl V. einen Reichstag
in der Stadt Worms. Der war sehr groß und glänzend;
beinahe alle deutschen Fürsten waren auf demselben anwesend.
In ihrer Mitte erschien ein Abgesandter vom Papste; der
sprach: „Sehet Ihr nicht, wie großes Unheil der Mönch von
Wittenberg durch seine Irrlehren anstiftet? Wohlan, laßt
seine Bücher verbrennen und übergebt den gebannten Ketzer den
Händen des Papstes, auf daß er seine Strafe empfange!"
Allein die Fürsten antworteten: „Es ziemt sich in deutschen
Landen nicht, daß einer ungehört verdammet werde!" So dachte
auch der Kaiser. Man beschloß daher, den Doktor Luther nach
Worms zu entbieten, damit er sich vor Kaiser und Reich ver¬
antworte. Kaiser Karl schickte einen Herold mit einem Ge¬
leitsbriefe nach Wittenberg, um ihn herüber zu holen.
2. LuthersReisenachWorms. — Getrosten Mutes
trat Luther die Reise in Gottes Namen an. „Es ist nicht zu
zweifeln, daß ich von Gott berufen werde," sprach er zu seinen
besorgten Freunden. Er fuhr in einem offenen Wagen, den ihm
der Rat von Wittenberg geschenkt hatte. In allen Orten, durch
die er kam, lief das Volk zusammen, den kühnen Mönch zu sehen,
der gewagt hatte, es mit dem allgewaltigen Papste aufzunehmen.
Als er sich der Stadt Erfurt uäherte, kam ihm ein langer Zug
Menschen zwei Meilen weit zu Pferde und zu Fuße entgegen.