Full text: Erzählungen aus der deutschen Geschichte

— 77 — 
5. Luther auf die Wartburg entführt. — So 
konnte Luther unter kaiserlichem Schutze von Worms abreisen. 
Gleichwohl war der Kaiser, der es mit dem Papste hielt, ein 
heftiger Feind der Lehre Luthers. Er erklärte sich entschlossen, 
alle seine Macht daran zu setzen, dieselbe auszurotten. Daher 
sprach er über Luther und alle seine Anhänger die Neichsacht 
aus. Niemand, so hieß es, solle den gottlosen Ketzer Hausen, 
Höfen, ätzen und tränken; wer ihn finde, solle ihn fangen und 
zur Bestrafung einliefern. Allein Luther war schon in Sicherheit. 
Sein Kurfürst, Friedrich der Weise, wollte ihn nimmermehr 
der Rache seiner Feinde preisgeben. Daher geschah es auf seine 
Veranstaltung, daß, als Luther auf seiner Heimfahrt in die 
Nähe von Eisenach kam, plötzlich einige verkappten Ritter 
heransprengten, ihn aus dem Wagen rissen und mit ihm davon 
eilten. Im nahen Walde legten sie ihm Ritterkleider an, setzten 
ihn auf ein Pferd und brachten ihn auf ein einsames Bergschloß, 
die Wartburg. 
6. Luthers Bibelübersetzung. — Alle Welt meinte 
nun, Luther sei tot. Aber es ging ihm auf der Wartburg ganz 
wohl. Er hieß dort Junker Jörg, trug einen ritterlichen Waffen¬ 
rock, ließ sich den Bart wachsen und streifte durch deu Wald am 
Schloßberge, machte zu Zeiten auch wohl Jagden mit. Aber 
auch unter Hasen, Hunden und Waffen war er seines Berufes 
stets eingedenk. „Ich wollte," schrieb er, „für die Ehre des 
göttlichen Wortes lieber auf glühenden Kohlen brennen, als 
hier in der Einsamkeit leben und verfaulen." Indes benutzte 
er die Einsamkeit treulich, sein Werk zu fördern. Er studierte 
Tag und Nacht und ließ manche kräftige Schrift ausgehen, 
worin er das Papsttum angriff und die Widersacher widerlegte. 
Da merkte denn die Welt wohl, daß der Gottesmann noch am 
Leben sei; aber den Ort konnte niemand erfahren. Das Aller¬ 
wichtigste aber, was Luther auf der Wartburg arbeitete, war 
seine Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache. Sie 
wurde das beste Rüstzeug für die Ausbreitung der neuen Lehre; 
denn dadurch wurde das göttliche Wort in seiner ganzen Kraft 
und Herrlichkeit allem Volke zugänglich. Da Luther so an-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.