172
Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
schon früher erlegen fein, wäre nicht feit dem Beginn der Kriege mit jenen
unablässig germanisches Blut in den alternden Körper des Reiches einge¬
flossen; „die Gründung und Ausbreitung germanischer Staaten auf römi¬
scher Erde würde ganz anders ausgefallen fein, wäre ihr nicht eine all¬
mähliche Germanisierung des römischen Staates und Heeres
vorangegangen." Einzelne deutsche Stämme am Rhein waren ins Reich
aufgenommen, so die Triboker. Nemeter und Wangionen schon zu Cäsars
Zeit, wenig später die Ubier und — gezwungenerweise — die Sn-
gambern; auch die Bataver und ein Teil der Friesen erkannten die römische
Oberhoheit an. Germanische Sklaven füllten feit den Kimbernkriegen
Italien und die Provinzen; feit dem Markomannenkriege bearbeiteten Tau¬
sende von Kolonen — freie, aber abgabepflichtige und an die Scholle
gebundene Bauern — die weiten, menschenleeren Besitzungen der reichen
Grundherren in den nördlichen Provinzen. Und auch diese Kolonen er¬
gänzten — nicht nur den römischen Bauernstand — sondern auch das
Heer; denn die Grundherren waren verpflichtet, ihre Kolonen als Rekruten
zu stellen. Bald bildeten ausgehobene Kolonen den Kern der Legionen, mit
denen das Reich die Schlachten der Völkerwanderung schlug. Zu den Ko¬
lonen kommen seit dem Ausgang des dritten Jahrhunderts die Laten,
geschlossene Haufen von überrheinifchen Germanen und deren Nachkommen,
die — unabhängiger als die Kolonen — doch nicht freizügig find und für
die öffentlichen Ländereien, die sie zur Bewirtschaftung erhalten, Kriegs¬
dienste leisten. Sie und die Kolonen stellten die Truppen, die zum Schutze
der Grenzländer dienten. Und da es römische Sitte war, Grenzländereien
ausgedienten Soldaten zu verleihen, ja die Vererbung solcher Grundstücke
an die Übernahme des Grenzdienstes zu knüpfen, so entstanden allmählich
erbliche Grenzsoldaten, die zugleich Grenzbauern waren; mit andern Worten:
die dort angesiedelten Männer hatten zugleich das Grenzland zu bebauen
und die Grenze zu verteidigen. Da nun die Zahl der Germanen im
römischen Heere immer stieg und damit zugleich die Zahl germanischer
Grenzsoldaten, so wurde durch sie die Germanisierung der römischen
Grenzgebiete bedeutend gefördert. Wir haben ferner gesehen, wie die Kaiser
genötigt waren, ganze Germanenstämme, wie die Westgoten und Burgunden,
innerhalb der Reichsgrenzen aufzunehmen, die zwar die kaiserliche Ober¬
hoheit anerkannten, aber doch unter heimischen Fürsten in ihrem nationalen
Verbände blieben und als Föderalen (Verbündete) bezeichnet wurden.
Die Kriegerscharen, die sie dem Kaiser stellten, gehörten nicht zum ständigen
Heere, sondern konnten nur, so lange man sie brauchte, in Dienst genom¬
men werden. Wie sehr mußte dies zur Auslösung der innern Reichs¬
einheit beitragen! Aber auch unabhängig von der Ansiedlung Deutscher
auf römischem Boden, vollzog sich die Germanisierung des römischen Heeres;