11. Aus der Zeit Wilhelms I. 45
die einzige bleiben, die in die Hände der Feinde fiel. Schon an dem¬
selben Tage rückten die Deutschen über die Grenze, und Frankreich wurde
der Kriegsschauplatz. Am 4. August wurden die Franzosen bei Weißen -
bürg und am 6. 'bei Wörth besiegt. Bald räumten sie auch Saar¬
brücken wieder und besetzten die hinter der Stadt liegenden Spichernen
Höhen; aber in einer blutigen Schlacht erstürmten die Deutschen die
Höhen (auch am 6. August), und die Franzosen mußten sich weiter
zurückziehen.
Ein schmerzliches Wiederfinden.
Unter den Gefallenen auf den Spichernen Höhen war auch Haupt¬
mann v. Manstein, ein Sohn des ebenfalls im Felde stehenden Generals
v. Manstein. Der Vater erfuhr den Tod des Sohnes erst am andern
Tage. Wie er den toten Sohn auf dem Schlachtfelde fand, darüber
schreibt ein Offizier:
„Wir lagen im Biwak nahe bei dem Schlachtfelde. Nicht weit
von unserm Lagerplatze war ein schlichter Hügel, geziert mit einem roh
zusammengeschlagenen Kreuz. Ich war eben im Begriff, hinzugehen, um
zu sehen, wer dort begraben sei, als ein General mit wenigen Leuten
sich dem Grabe näherte, die sich anschickten, das Grab zu öffnen.
Ich fragte einen Mann vom 77. Regiment, was das bedeute, und
erfuhr, daß ihm eben ein General auf der Chaussee begegnet sei, der
ihn gefragt habe: ,9hm, mein Sohn, habt ihr viel Verluste gehabt?1
,Jawohl, Exzellenz, es sind sehr, sehr viele geblieben!' ,Bei welcher
Kompagnie stehst öu?‘ Der Soldat nannte die Nummer. ,Lebt euer
Hauptmann noch?' ,Nein, er und der größte Teil unserer Leute sind
gefallen?
Das Gesicht des Generals hatte schmerzhaft gezuckt, und eine
Träne war seinem Auge entquollen: der Bater hatte den Sohn ver¬
loren! Nun wußte ich, um was es sich handelte.
Inzwischen war das Grab geöffnet. Unsere Leute nahmen den
Toten heraus und wuschen das entstellte Gesicht ein wenig ab. Lange
schaute der Vater auf das bleiche Antlitz des tapferen Sohnes, endlich
drückte er einen Kuß auf die erkaltete Stirn. Dann wandte er sich
ab und gab die nötigen Anordnungen zur Besorgung eines Sarges."
4. Die Schlachten bei Metz. Nach den ersten Verlusten zogen
sich die Franzosen auf die Festung Metz zurück. Hier in der Umgebung
von Metz sind die schwersten Schlachten des ganzen Krieges geschlagen,
am 16. August bei Mars la Tour und am 18. August bei Grave¬
lotte. Die französische Armee mußte sich in die Festung Metz zurück¬
ziehen, und die Deutschen belagerten sie hier.
Über die Schlacht bei Mars la Tour schreibt ein Mitkämpfer:
„Wir stehen vor dem Feinde. Hinter Hecken und Verhauen liegt
er versteckt und ist nur am Aufblitzen seiner Schüsse zu erkennen. Grauer
Pulverdampf hängt tief auf dem Gelände; über unsern Köpfen rast der
Geschützkamps. In den Ton der sausenden und platzenden Granaten
mischt sich das Knattern der Mitrailleusen und das Pfeifen der Chasse¬
pots. Unsere Zündnadelgewehre können den Feind noch nicht erreichen.