Flugvermögen läßt sich mit unserer Körperbildung nicht vereinbaren,
es würde sich wohl nur auf Kosten unserer Hand entwickeln können, —
und die menschliche Hand ist mehr wert als alle Vogelflügel.
Betrachten wir einmal einen Vogel und ein Insekt, sagen wir eine
Turmschwalbe und einen Abendschwärmer, meinetwegen ein Karpfen¬
schwänzchen vergleichsweise, so werden wir mit Erstaunen wahrnehmen,
in wie hohem Grade bei so grundverschiednen Geschöpfen eine ähnliche
Anpassung an ähnliche Lebensbedingungen auch ähnliche Erfolge er¬
zielt hat.
Worauf beruht die weitgehende Ähnlichkeit eines Vogels mit einem
Schmetterling? — In letzter Linie auf dem Flug! Das ist leicht gesagt,
wenn es nur ebenso leicht wäre zu sagen, was nun wieder diese merk¬
würdige Ortsbewegung verursacht habe, und wie ein Flügel nach und
nach zustande gekommen sei.
Niemand wird wohl annehmen wollen, daß der Flügel eines Vogels
und eines Schmetterlings gleich mit einem Schlage sich zu einem so
wundervoll an die Bewegung in der Luft angepaßten Organe gestaltet
habe, wird er zugeben müssen, daß diese Flügel sich nach und nach zu
so hoher Vollendung entwickelt haben, und daß die ersten Veränderungen
des ursprünglichen Organs nicht wohl gleich durch eigentlichen Flug be¬
dingt werden konnten.
Die Entstehung des Vogelflügels können wir uns verhältnismäßig
leicht begreiflich machen. Die Vögel sind nicht die einzigen fliegenden
Wirbeltiere, den Vorzug dieser schönen Bewegungsart teilen und teilten
mit ihnen die Fledermäuse und eine Sippe seltsamer, schon in der Zeit des
Iura und der frühen Kreide ausgestorbner Eidechsen, die Flugechsen,
Pterodaktylier oder Flügelfingerer. Die erste Anlage eines Flügels der
höhern Wirbeltiere hat bei kletternden Formen stattgefunden, und zwar
trat bei ihnen zwischen den Gliedmaßen an den Seiten des Körpers eine
Hautfalte auf, anfangs wohl nur in sehr geringem Umfang, aber sie
wird sich durch Vererbung im Laufe der Generationen gesteigert haben,
da die mit einer solchen Falte ausgestatteten Individuen einen gün¬
stigern Kampf ums Dasein kämpften. Denn dieser Faltenapparat wirkt
wie ein Fallschirm: ein damit ausgerüstetes Tier kann in schräger Richtung
schwebend springen und auf tiefer gelegne Partien zwar benachbarter,
immerhin aber doch ziemlich entfernt stehender Bäume gelangen und
braucht den Boden nicht zu betreten, was ja für alle echten Klettertiere
sein Bedenkliches hat.