Full text: Für Klasse 3 (achtes Schuljahr) und die Untertertia der Studienanstalten (Teil 7, [Schülerband])

Flugvermögen läßt sich mit unserer Körperbildung nicht vereinbaren, 
es würde sich wohl nur auf Kosten unserer Hand entwickeln können, — 
und die menschliche Hand ist mehr wert als alle Vogelflügel. 
Betrachten wir einmal einen Vogel und ein Insekt, sagen wir eine 
Turmschwalbe und einen Abendschwärmer, meinetwegen ein Karpfen¬ 
schwänzchen vergleichsweise, so werden wir mit Erstaunen wahrnehmen, 
in wie hohem Grade bei so grundverschiednen Geschöpfen eine ähnliche 
Anpassung an ähnliche Lebensbedingungen auch ähnliche Erfolge er¬ 
zielt hat. 
Worauf beruht die weitgehende Ähnlichkeit eines Vogels mit einem 
Schmetterling? — In letzter Linie auf dem Flug! Das ist leicht gesagt, 
wenn es nur ebenso leicht wäre zu sagen, was nun wieder diese merk¬ 
würdige Ortsbewegung verursacht habe, und wie ein Flügel nach und 
nach zustande gekommen sei. 
Niemand wird wohl annehmen wollen, daß der Flügel eines Vogels 
und eines Schmetterlings gleich mit einem Schlage sich zu einem so 
wundervoll an die Bewegung in der Luft angepaßten Organe gestaltet 
habe, wird er zugeben müssen, daß diese Flügel sich nach und nach zu 
so hoher Vollendung entwickelt haben, und daß die ersten Veränderungen 
des ursprünglichen Organs nicht wohl gleich durch eigentlichen Flug be¬ 
dingt werden konnten. 
Die Entstehung des Vogelflügels können wir uns verhältnismäßig 
leicht begreiflich machen. Die Vögel sind nicht die einzigen fliegenden 
Wirbeltiere, den Vorzug dieser schönen Bewegungsart teilen und teilten 
mit ihnen die Fledermäuse und eine Sippe seltsamer, schon in der Zeit des 
Iura und der frühen Kreide ausgestorbner Eidechsen, die Flugechsen, 
Pterodaktylier oder Flügelfingerer. Die erste Anlage eines Flügels der 
höhern Wirbeltiere hat bei kletternden Formen stattgefunden, und zwar 
trat bei ihnen zwischen den Gliedmaßen an den Seiten des Körpers eine 
Hautfalte auf, anfangs wohl nur in sehr geringem Umfang, aber sie 
wird sich durch Vererbung im Laufe der Generationen gesteigert haben, 
da die mit einer solchen Falte ausgestatteten Individuen einen gün¬ 
stigern Kampf ums Dasein kämpften. Denn dieser Faltenapparat wirkt 
wie ein Fallschirm: ein damit ausgerüstetes Tier kann in schräger Richtung 
schwebend springen und auf tiefer gelegne Partien zwar benachbarter, 
immerhin aber doch ziemlich entfernt stehender Bäume gelangen und 
braucht den Boden nicht zu betreten, was ja für alle echten Klettertiere 
sein Bedenkliches hat.
	        
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