436
5. „So lang ein Tropfen Blut noch
glüht,
Noch eine Faust den Degen zieht,
Und noch ein Arm die Büchse spannt,
Betritt kein Feind hier deinen Strand."
Lieb' Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!
6. Der Schwur erschallt, die Woge rinnt,
Die Fahnen flattern hoch im Wind:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen
Rhein!
Wir alle wollen Hüter sein!
Lieb' Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!
Max Schneckenburger.
89. Die drei
1. Drei Zigeuner fand ich einmal
Liegen an einer Weide,
Als mein Fuhrwerk mit müder Qual
Schlich durch sandige Haide.
2. Hielt der eine für sich allein
In den Händen die Fiedel,
Spielte, umglüht vom Abendschein,
Sich ein feuriges Liedel.
3. Hielt der zweite die Pfeif' im Mund,
Blickte nach seinem Rauche,
Froh, als ob er vom Erdenrund
Nichts zum Glücke mehr brauche.
4. Und der dritte behaglich schlief,
Und sein Cimbal am Baum hing.
Zigeuner.
Ueber die Saiten der Windhauch lief,
Ueber sein Herz ein Traum ging.
5. An den Kleidern trugen die drei
Löcher und bunte Flicken,
Aber sie boten trotzig frei
Spott den Erdengeschicken.
6. Dreifach haben sie mir gezeigt,
Wenn das Leben uns nachtet,
Wie man's verraucht, verschläft, vergeigt,
Und es drei Mal verachtet.
7. Nach den Zigeunern lang noch schaun
Mußt' ich im Weiterfahren,
Nach den Gesichtern dunkelbraun,
Den schwarzlockigen Haaren.
Lenau.
90. Das Mantellied.
1. Schier dreißig Jähre bist du alt,
Hast manchen Sturm erlebt!
Hast mich wie ein Bruder beschützet,
Und wenn die Kanonen geblitzet,
Wir beide haben niemals gebebt.
2. Wir lagen manche liebe Nacht
Durchnäßt bis auf die Haut;
Du allein hast mich erwärmet,
Und was mein Herz hat gehärmet,
Das hab' ich dir, Mantel, vertraut.
3. Geplaudert hast du nimmermehr,
Du warst stets still und treu,
Warst getreu in allen Stücken;
Drum laß ich dich nicht mehr flicken,
Du alter würdest sonst neu.
4. Und mögen sie mich verspotten,
Du bleibst mir theuer doch;
Denn wo die Fetzen 'runterhangen,
Sind die Kugeln hindurchgegangen,
Jede Kugel macht' ein Loch.
5. Und wenn die letzte Kugel kommt
Jn's deutsche Herz hinein,
Lieber Mantel, laß dich mit mir begraben,
Sonst will ich von dir nichts mehr haben;
In dich hüllen sie mich ein.
6. Da liegen wir zwei beide
Bis zum Appell in dem Grab.
Der Appell macht alles lebendig,
Da ist denn auch nothwendig,
Daß ich dich, mein Mantel, hab.
_ K. v. Holtei.
91. Der
1. Wenn ich in stiller Frühe
Vom Schlummer aufgewacht,
Blick' ich empor, und siehe,
Des Morgensternes Pracht!
Mit sanftem Glanz begegnet
Sein heitres Auge mir:
So früh bin ich gesegnet!
Mein Gott, ich danke dir.
Morgenstern.
2. In Nacht und Schlummer liegen,
Das schufst du mir nicht an:
Ein Licht ist aufgestiegen,
Da man nicht schlummern kann.
O selig, wer zum Lichte
Durchdrang aus seiner Nacht
Und vor dem Angesichte
Der ew'gen Sonne wacht!