Full text: Alte Geschichte (1. Bdchen)

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bei ihren Gastmählern stellten sie eine Leiche zur Betrachtung 
auf. Auch in den Wissenschaften zeichneten sie sich aus, 
namentlich tu Astronomie und Geometrie. 
Die Ägypter waren wie die Inder in besondere Stände 
oder Kasten eingeteilt: Priester, Krieger, Ackerbauer, Hand¬ 
werker, Schiffer, Dolmetscher und Hirten. Die letzteren waren 
die verachtetsten. Keiner durfte aus einer Kaste in die andre 
übertreten. War der Vater ein Hirt, so mußte auch der 
Sohn ein solcher werden, er mochte nun Lust oder Anlagen 
dazu haben oder nicht. Die geehrteste Kaste war die der 
Priester. Sie waren die Gelehrten, die Gesetzgeber, Richter 
und Ärzte des Volkes, auch die Erzieher uud Räte des Königs. 
Ihnen zunächst standen die Krieger, die aber nicht gleich 
unsern Soldaten ein stehendes Heer bildeten, sondern freie 
Bürger mit Grundbesitz waren. 
Die Religion der alten Ägypter ging aus der An¬ 
schauung der Natur hervor. In dem Lebensspender Osiris 
verehrten sie die Sonne, sowie den Nil; als weibliche Gottheit 
stand diesem die Isis, das Symbol der fruchtbaren Erde 
oder des Mondes, zur Seite. Selbst dem Typhon, von dem 
das Schädliche und Zerstörende in der Natur kommt, hatte 
man Tempel geweiht. Ammon war der Gott des Himmels. 
Außerdem verehrten sie eine Menge von Tieren, wie 
den Ibis, weil er die im Nilschlamm nistenden Schlangen 
wegfraß; das Krokodil, die Katze, den Ichneumon re. Wer 
eins von diesen Tieren tötete, wurde hingerichtet. Doch war 
es nicht selten, daß man Tiere in einer Stadt anbetete, die 
man in einer andern schlachtete. Nur der Ochs, Apis 
genannt, wurde allgemein verehrt. Er war den Ägyptern das 
Sinnbild des Ackerbaues. Dieser Ochs mußte am ganzen 
Leibe schwarz sein und vor der Stirn einen viereckigen weißen 
Fleck haben. Sein Tempel war in der Königsstadt Memphis; 
Priester bedienten ihn und reichten ihm knieend die Speisen. 
Sein Tod versetzte ganz Ägypten in Trauer; war aber ein 
neuer Apis gefunden, so jubelte das ganze Volk. 
Die Ägypter glaubten an die Unsterblichkeit der Seele. 
Über jeden Verstorbenen wurde ein Totengericht gehalten, 
welches entschied, ob derselbe feierlich begraben werden dürfe 
oder nicht. Selbst die Könige waren diesem Gericht unter¬ 
worfen. Die Verweigerung des ehrenvollen Begräbnisses galt 
für die größte Schande. Im Totenreiche hielt Osiris das 
Totengericht. Die Seelen der unrein Befundenen mußten eine
	        
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