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und zog auf Rom los, das seit 600 Jahren keinen Feind vor
seinen Thoren gesehen hatte. Noch war es die Hauptstadt der
Welt, aber der alte Römergeist war längst aus ihr gewichen.
Man schickte eine Gesandtschaft an ihn ab, welche ihm mit dem
zahlreichen, in den Waffen geübten Volke drohte. Hohnlachend
antwortete Alarich: „Je dichter das Gras, desto leichter das
Mähen!" Da nahmen die Gesandten eine andere Sprache an
und fragten, womit man den Frieden erkaufen könne. jMlarich
forderte alles Gold, Silber und kostbare Gerät, und alle Sklaven
deutscher Abkunft. Auf ihre Frage, was er ihnen dann lassen
wolle, erwiderte er: „Eure Seelen!" Endlich begnügte sich
Alarich mit 5000 Pfund Gold, 30 000 Pfund Silber, 4000
seidenen Gewändern, 3000 Stück Tuches und 3000 Pfund
Pfeffer.
Alarich zog von Rom ab. Da aber Honorius auf die
Bedingungen nicht einging und die Forderungen des Gotenkönigs
nicht erfüllte, so erschien dieser im I. 409 zum zweitenmal
vor Rom. Die Stadt mußte sich ergeben, den Honorius ab¬
setzen und den Statthalter Attalus zum Kaiser erklären.
Doch nach einem Jahre stieß Alarich auch diesen wieder
vom Thron und nahm am 24. August 410 die Stadt mit
Sturm ein. Rom wurde geplündert und ein Teil der Stadt
verbrannt. Allein die Kirchen und alle, welche sich dahin ge¬
flüchtet hatten, wurden verschont; denn die Goten waren Christen.
Alarich ließ sogar einige aus der Kirche geraubte kostbare Ge¬
fäße wieder zurückgehen.
Als Honorius hörte, daß Rom verloren sei, erschrak er,
weil er glaubte, sein großer Hahn, welcher Roma hieß, sei
gestorben; doch tröstete er sich bald, als er erfuhr, daß nur
die Stadt Rom gemeint sei.
Schon nach 6 Tagen brach Alarich von Rom nach Unter¬
italien auf, um Sizilien und Afrika zu erobern und dort ein
großes Reich zu gründen. Da ereilte der Tod den Helden,
und er starb in Cosenza im 34. Jahre seines Lebens. Seine
Goten leiteten den Fluß Busento ab und gruben ihm in dem
trockenen Flußbette sein Grab. In voller Rüstung, das Schwert
in der Hand und mit einem kostbaren Schatze senkten sie ihn
hinab. Dann leiteten sie den Fluß wieder darüber und opferten
die Gefangenen, welche die Arbeit verrichtet hatten.
Die Goten wählten jetzt Alarichs Schwager Athaulf
(Adolf) zum Führer. Dieser führte sie nach Gallien und
Spanien. Er und fein Nachfolger Wallia gründeten hier zu