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und den Krösus gefesselt darauf stellen. Da rief der unglück¬
liche Köuig dreimal: „Solon, Solon, Solon!"
Cyrns ließ ihn fragen, wen er riefe, und Krösus sprach:
„Einen Mann, dessen Unterredung ich allen Fürsten wünsche."
Dann erzählte er, wie einst Solon, ein weiser Grieche, ihn
besucht habe. Diesem habe er alle Reichtümer und Schätze
gezeigt und ihn dann gefragt, wen er für den glücklichsten
Menschen halte. Er habe gehofft, Solon würde feinen Namen
nennen. Dieser aber habe einen Athener und zwei griechische
Jünglinge als die Glücklichsten gepriesen. Jener hatte nach
einem langen, glücklichen Leben im Kreise seiner Familie den Hel¬
dentod auf dem Schlachtfelde gefunden; diese waren im Tempel
bei dem Opferdienste gestorben, nachdem sie ihre Mutter mit
eigenen Händen dorthin gefahren hatten. Als er dem Solon
hierüber fein Mißfallen geäußert habe, fei ihm von diesem
geantwortet worden: „Niemand ist vor seinem Tode glücklich
zu preisen." Cyrus wurde gerührt und sah ein, daß unter
den menschlichen Dingen nichts beständig sei. Er schenkte dem
Krösus das Leben und behielt ihn als Freund und Ratgeber
bei sich. Krösus aber sandte Boten nach Delphi und ließ
dem Gotte seine Fesseln zeigen; er hielt ihn für undankbar,
da seine Orakel so schlecht in Erfüllung gegangen wären. Aber
die delphischen Priester antworteten: sie hätten ihn nicht be¬
trogen ; ein großes Reich sei ja zerstört, sie hatten nicht ge¬
sagt, daß das persische Reich zerstört werden sollte.
3. Eyrus Ende. Cyrns sendete nun seinen Feldherrn
Harpagns ab, welcher die Griechen an der westlichen Küste
Asiens unterwarf. Er selbst zog gegen das babylonische Reich
und griff Babylon an. Mit Gewalt konnte diese Riesen¬
stadt nicht erobert werden; er gewann sie durch List. In einer
finsteren Nacht ließ er das Wasser des Euphrat in ein ande¬
res, schon vorhandenes Bett ableiten. Nun wurde der Fluß,
welcher die Stadt durchzog, seichter, und die Soldaten drangen,
bis an den Gürtel im Wasser watend, unter der Matter hin¬
durch in die Stadt und überrumpelten die Einwohner bei
einem schwelgerischen Feste. So wurde Cyrus Herr des ba¬
bylonischen Reiches. Den gefangenen Juden gestattete er die
Rückkehr in ihr Vaterland.
Mit diesen Eroberungen noch nicht zufrieden, griff Cyrus
das arme, aber kräftige Volk der Massageten an, welches
am kaspischen Meere wohnte. Der Königin Tomyris hatte
Cyrus seine Hand angeboten. Da er eine abschlägliche Ant-