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eigenschaft ab, überhaupt alle Standesvorzüge und Vorrechte;
ebenso die Todesstrafe. Er wollte in seinen verschiedenen
Staaten eine Sprache, ein Gesetz, eine Verfassung zur Herr¬
schaft bringen. Damit jeder sich frei aussprechen könne, wurde
die Preßfreiheit eingeführt.
Leider ließ sich Joseph auch manche Mißgriffe zu schulden
kommen. So faßte er den Plan, Bayern für den größten
Teil der Niederlande einzutauschen. Aber auch diesmal stellte
sich ihm Friedrich der Große entgegen, indem derselbe zur
Aufrechterhaltung der Rechte der deutschen Reichsfürsten einen
deutschen Fürstenbund stiftete.
Bei der Verwirklichung seiner wohlgemeinten Neuerungen
fehlte der Kaiser besonders dadurch, daß er zu rasch und rück¬
sichtslos zu Werke ging. Indem er die österreichischen Länder
zu einem gleichmäßigen Ganzen verschmelzen wollte, verletzte
er die Ungarn. Am entschiedensten widersetzten sich aber seinen
Neuerungen die Niederlande, wo es bereits 1788 zu einem
förmlichen Aufstande kam. Hier hatten besonders die Geist¬
lichen das Volk gegen den Kaiser aufgehetzt. Ein Feldzug
gegen die Türkeu endigte sich auch unglücklich. Krank, mit
gebrochener Kraft sah sich Joseph genötigt,, seine meisten Ver¬
ordnungen zurückzunehmen. Der Schmerz über das Mißlingen
seiner Pläne führte seinen frühen Tod herbei. Er starb am
20. Febr. 1790. Kurz vor seinem Tode sprach er den Wunsch
aus, man möchte auf fein Grab schreiben: „Hier ruht ein
Fürst, dessen Absichten rein waren, der aber das Unglück hatte,
alle feine Pläne scheitern zu sehen."
14. Katharina II. von Rußland und die Teilung
Polens.
Die Regierung Katharinas II. (1762—96) bildete eine
Glanzperiode der russischen Geschichte. Sie war darauf be¬
dacht, Rußland zu einer europäischen Großmacht zu erheben
und ihm europäische Bildung zuzuführen. Zwar war ihr
Privatleben nicht ohne Schwächen, aber sie war eine Selbst¬
herrscherin im eigentlichsten Sinne des Wortes.' Sie ver¬
besserte das Heerwesen, hob die Seemacht, sorgte für den Acker¬
bau und zog zur Bevölkerung einzelner Provinzen Taufende
von Ausländern herbei. Sie forderte Handel, Gewerbe uud
geistiges Leben, indem sie eine Menge Schulen und Bildnngs-
anstalten gründete und zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten stiftete.
Dabei ließ sie aber nie die auswärtigen Verhältnisse