— 352 —
dich, aber ich will dir ein köstlicheres gewähren, wenn du mir
folgst!" sprach Karl und reichte ihm sanft die Hand und führte
ihn in sein Gemach. Nach einer langen, ernsten Unterredung
beugte sich Wittekind in stiller Demut vor dem christlichen Könige.
Wittekind und Alboin bekannten sich nun alsbald öffentlich zum
christlichen Glauben und wurden im Beisein Karls des Großen
auf das feierlichste getauft. Der Frankenkönig war selber Pate.
3. Das weiße Sachsenroß.
Als Widukind sich mit seinen Sachsen hatte taufen lassen,
da war großer Jubel. Karl hielt ihn hoch in Ehren und gab
ihm ein neues Wappenschild, mit einem weißen, springenden Roß,
ohne Zügel und Gebiß, als Zeichen darin. Wie Karl dazu
kam, ihm dieses Wappenzeichen zu geben, erzählt uns das folgende
Gedicht:
Es jagt der Sturm im grünen Wald,
er reitet und zwängt der Eichen Wucht.
Die alte Weser muß ihre Wellen
vor Zorn und Angst am Fels zerschellen,
und vom Gebirg und aus der Schlucht
des Donners Siegesrufen hallt.
Ein fränk'fcher Mann, gar müd' und still,
verlassen irrt im sremden Land;
die Glieder brechen ihm fast zusammen,
doch löscht ihm nichts des Auges Flammen;
da steht ein Hüttlein an dem Strand:
„Hallo, ein Fremder Obdach will!"
Ein Sachse hoch, mit stolzem Blick,
sieht lang und fremd den Franken an:
„Kommst du, um Gastfreundschaft zu bitten,
so bist du sicher in Sachsenhütten."
Da trat den Herd der Franke an,
er nahm den Becher und gab ihn zurück.
Sie sitzen ernst am heil'gen Herd,
sie sehen schweigend einander an,
und stumm bewundert immer wieder
ein jeder des andern Heldenglieder.
Da hebt zuletzt der Franke an:
„23ei Gott, wir sind einander wert!
Wenn solcher viel das Sachsenland
Zum Kampf gen unsern König stellt,
So möchte Karol bitter klagen,
Daß Sachs' und Frank' noch Schlachten schlagen."
Da führt der Sachse ihn an der Hand
Hinaus aufs regengrüne Feld.