Was war's, das näher euch rückte
Und Herzen mit Herzen verband?
Was den Neid und den Zwiespalt erstickte
Und zum Feinde drängte die Hand?
Was war's, das sanfterer Regung
Den stürmischen Sinn erschloß,
In des Zornes Flut und Bewegung
Das Oel des Friedens ergoß?
Es war der Gedanke des Scheidens,
Der in die Seele euch drang,
Der Gedanke des Scheidens und Meidens,
Es sei für kurz oder lang.
Ach, aus metallenem Munde
Mahnt's an die flüchtige Zeit,
An's Herz pocht der Hammer der Stunde
Und donnert: „Vergänglichkeit!"
Und weil du vergänglich hienieden,
Drum wird das Herz dir so weich,
Drum strebst du so innig nach Frieden
Und bist an Vergebung so reich! —
Du denkst: Wir sind allzumal Gäste
Auf diesem irdischen Rund,
Drum wünschest du Allen das Beste
Und bietest die Hände zum Bund.
O möchte denn jeder der Tage
Ein Tag Sylvesters dir sein,
Auf daß ein jeder dir sage:
Wir sollen dein Frieden uns weih'n.
Wenn aber die Glocken dann schlagen
Dem Jahre sein Grabesgeläut',
Dann wolle zum Troste dir sagen:
„Wir leben der Ewigkeit."
Kellner.
75. Die Kapesse.
Groben stehet die Kapelle,
Schauet still in's Thal hinab;
Drunten singt bei Wies' und Quelle
Froh und hell der Hirtenknab'.
Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich der Leichenchor!
Stille sind die frohen Lieder
Und der Knabe lauscht empor.
Droben bringt man sie zu Grabe,
Die sich freuteu in dem Thal;
Hirtenknabe, Hirtenknabe!
Dir auch singt man dort einmal.
Uhland.
76. Auf meines Kindes Hod.
i.
Als ich nun zum ersten Male
Wieder durch den Garten ging,
Busch und Bächlein in dem Thale
Lustig an zu plaudern fing.
Blumen halb verstohlen blickten
Neckend aus dem Gras heraus,
Bunte Schmetterlinge schickten
Sie sogleich aus Kundschaft aus.
Auch der Kuckuck in den Zweigen
Fand sich bald zum Spielen ein,
Endlich brach der Baum das Schweigen
„Warum kommst du heut' allein?"
Da ich aber schwieg, da rührt' er
Wunderbar sein dunkles Haupt,
Und ein Flüstern konnt' ich spüren
Zwischen Vvglein, Blüt' und Laub.
Thränen in dem Grase hingen;
Durch die abendstille Rund'
Klagend nun die Quellen gingen,
Und ich weint' aus Herzensgrund.
II.
Von fern die Uhren schlagen,
Es ist schon tiefe Nacht,
Die Lampe brennt so düster,
Dein Bettlein ist gemacht.
Die Winde nur noch gehen
Wehklagend um das Haus,
Wir sitzen einsam drinnen
Und lauschen oft hinaus.
Es ist, als müßtest leise
Du klopfen an die Thür',
Du hätt'st dich nur verirret,
Und kämst nun müd' zu mir.
Wir armen, armen Thoren!
Wir irren ja im Graus
Des Dunkels noch verloren —
Du fandst dich längst nach Haus.