230 Erwerbung von Stettin; die pragmatische Sanction.
Schweden hatte nun fürs erste keinen Fußbreit Landes in Deutschland
mehr imie. Der Krieg hörte auf, aber Jahre lang kam es nicht zu einem
eigentlichen Friedensschlüsse, indem Karl XII. bald durch eine Verbindung mit
Rußland, bald durch andere Allianzen das Verlorene wieder zu gewinnen
hoffte. Erst nach seinem 1718 erfolgten Tode bemühte sich seine Schwester
und Nachfolgerin, U l r i k e E l e o n o r e, Frieden mit Preußen zu schließen, der
unter Vermittelung Englands und Frankreichs in S t o ck h o l m (1720) zu Staude
kam. Schweden trat dabei an Preußen Stettin nebst dem Theile
Vorpommerns zwischen Oder und Peene, sowie die Inseln Usedom
und Wollin ab, wogegen Friedrich Wilhelm sich außer einer Geldzahlung
von zwei Millionen Thalern verpflichtete, Schweden zur Wiedererlangung
des von den Dänen besetzten übrigen Theiles von Vorpommern (von der
Peene bis zur Ostsee) und der Insel Rügen zu verhelfen. Dies geschah in
dem 1721 abgeschlossenen Frieden zu Nyslädt. Schweden behielt somit einst¬
weilen noch das sogenannte Neu-Vorpommern mit Rügen; doch trat die
schwedische Monarchie seitdem ans der Reihe der wichtigeren europäischen
Staaten zurück. Friedrich Wilhelm nahm im Jahre 1721 die Huldigung in
dem neuerworbenen Lande ein. Er bezeigte den Pommern auf mannichfache
Weise, wie hoch erfreut er darüber war, daß Preußen endlich in den Besitz
der Odermündung und des wichtigen Handelsplatzes Stettin
gekommen sei; es war wieder ein Schritt weiter geschehen, um dem jungen
Königreiche ein überwiegendes Ansehen in Norddeutschland zu sichern und dem¬
selben ein wirksames Eingreifen in die europäischen Angelegenheiten möglich
zu machen.
Mit dem Jahre 1720 schien in Europa allgemeine Ruhe eingetreten,
aber bald zogen sich neue Wolken zusammen. Kaiser Karl VI., welcher keine
männlichen Erben hatte, sondern nur zwei Töchter, unter denen die älteste
Mari« Theresia, hatte seine ganze Sorge darauf gerichtet, die Erbfolge in
feinem Haufe zu sichern, und deshalb schon im Jahre 1713 ein unauflösliches
Hausgesetz, die pragmatische Sanction, veröffentlicht, nach welchem
die gesammten österreichischen Erblande in Ermangelung männlicher Erben
ungetheilt an seine weiblichen Nachkommen fallen sollten. Es war ihm nichts
wichtiger, als diesem Hausgesetze und dadurch seiner Tochter Maria Theresia
die Anerkennung der übrigen Mächte zu sichern. Eine Beleidigung, welche
der spanische Hof vom französischen erfuhr, gab nun dem Kaiser die er¬
wünschte Gelegenheit, mit Spanien nach langer Feindschaft in Frieden und
sogar in ein Bündniß zu treten. Als die Höfe von London und Paris davon
Kenntniß erhielten, wurden sie wieder besorgt, daß Oesterreich zu mächtig
werden könnte, und suchten überall Verbindungen gegen Spanien und den
Kaiser anzuknüpfen. Kein Fürst war ihnen dabei wichtiger, als Friedrich
Wilhelm, aber dieser war nicht geneigt, sich für fremde Zwecke brauchen zu
lassen. Er war überdies den Franzosen Feind und hielt es nicht für gut pa¬
triotisch, sich mit ihnen in engere Verbindung, zumal gegen den Kaiser, ein¬
zulassen. England und Frankreich setzten jedoch Alles in Bewegung, um den
König zu gewinnen. Dessen sehnlichster Wunsch war damals auf die Er¬
werbung von Jülich und Berg gerichtet, da von der früheren jülichschen Erb¬
schaft bis dahin nur Cleve an Preußen gekommen war; man hoffte ihn durch