Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Die Fürsten und die Kriegführung der Wenden. 5 
reitwillige Aufnahme, man machte es sich zur Freude, ihm Alles zu bieten, 
was das Haus an Vorräthen barg. Wer gegen diese gastliche Sitte verstieß, 
lud den Fluch auf sein Hans und die Seiuigen; bei einzelnen Stämmen wur¬ 
den ungastliche Hütten sogar zerstört. Die Habseligkeiten des Hauses wurden 
nicht verborgen oder ängstlich verwahrt, weil die Furcht vor Diebstahl oder 
Raub Niemanden beunruhigte: die meisten gewannen an Früchten der Erde, 
was sie bedurften, und den Armen kam die allgemeine Gastlichkeit zu Hülse. 
Der Einfachheit der wendischen Sitten entsprach es auch, daß Eide wenig vor¬ 
kamen, vielmehr das Manneswort zur Bekräftigung der Wahrheit ausreichte. 
Die Todteu wurden feierlich verbrannt, ihre Asche in Urnen verwahrt 
und unter steinernen Wölbungen auf gemeinschaftlichen Begräbnißplätzen bei¬ 
gesetzt. Jährlich, wenn der Frühling herankam, feierte jede Gemeinde ein 
Gedächtnißfest sür die im Laufe des Jahres Verstorbenen; um denselben 
Ruhe und Freude tu Walhalla zu sichern, brachten ihre Verwandten und 
Freunde den Göttern Opfer dar. 
Die Slaven kannten ursprünglich nur den Unterschied von Freien uud 
Knechten, unter den Freien selbst gab es keine geschiedenen Stände, die Ein¬ 
zelnen galten mehr oder weniger je nach ihrem Reichthum, ihrer Tapferkeit 
und Weisheit. Jede Gemeinde wählte sich ein Oberhaupt, Pan oder Zupau 
genannt; über das ganze Volk herrschten ursprünglich Priesterfürsien, an deren 
Stelle traten aber zur Zeit des Vordringens der Slaven vom Osten her 
Kriegsfürsten, weil die unaufhörlichen Kämpfe eine kräftige Heldenleitung 
nöthig machten. Diese Kriegssürsten führten den Namen Woywoden, ihre 
Macht war jedoch durch die Volksversammlungen, an welchen alle Freien 
Theil hatten, und durch den Einfluß der Priester sehr beschränkt. Die Leu- 
tizeu hatten auch später noch keine anderen Oberherren, als die Priester. Sie 
beriethen an geheiligten Orten in allgemeiner Volksversammlung über ihre 
Angelegenheiten, wobei es oft sehr tobend und gewaltsam herging. Wer sich 
den dort gefaßten Beschlüssen widersetzte, wurde von der Mehrheit durch 
Brand oder Raub bestraft. 
Wenn es zum Kriege kommen sollte, wurden die Götter erst durch die 
Priester befragt, ebenso vor einem Friedensschluß. Alle freien Männer in 
kräftigem Alter zogen mit in den Krieg, jede Gemeinde unter ihrem Znpan, 
mehrere Haufen zusammen unter einem Knesen; die heiligen Fahnen nebst 
den Bildern der Kriegsgötter wurden vorangetragen. Meistens kämpften die 
Wenden zu Fuß mit Pfeileu, Wurfkeulen, Schlendern und Streitäxten zum 
Angriff, mit Schilden zur Vertheidigung; wenn sie verfolgt wurden, flüchteten 
sie hinter die Gräben und die Erd- und Holzwälle, mit welchen sie ihre Bur¬ 
gen und Flecken umgaben. In den vielen Kämpfen mit den Deutschen, welche 
wir nun zu erzählen haben werden, lernten sie viele von deren Kriegseinrich¬ 
tungen kennen, nahmen von ihnen auch Harnische und Helme an, immer aber 
blieb ihre Kriegszucht ungeregelter, als die der Deutschen. 
Kriege der Wenden mit den Deutschen. Schon früh mögen die Wen¬ 
denstämme diesseits der Elbe mit ihren deutschen Nachbarn, den Sachsen, in 
viele blutige Fehden gerathen sein; aber bis zur Zeit Karl's des Großen 
haben wir über diese Kämpfe keine sicheren Nachrichten. Die erste Kunde, 
welche uns darüber zukommt, ist die von der Hülfe, welche Karl bei den Wen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.