Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Brandenburgische Ansprüche auf Schlesien. 257 
dagegen das brandenburgische Haus vor dem liegnitzischen erlöscht, so fällt an 
das Letztere Alles, was Brandenburg von ehemals böhmischen Lehen bereits 
erworben hat, nämlich Krossen, Züllichau, Cottbus, Peitz, Teupitz u. s. w.; 
die Unterthanen beider Fürsten sollen bei jedem Regierungswechsel dem erb- 
verbrüderteu Hause die Eventualhuldigung (d. h. die Huldigung für jenen 
etwa eintretenden Fall) leisten. Der Vertrag war im Jahre 1537 geschlossen 
und neun Jahre hindurch von Seiten des Königs und der Stände von Böh¬ 
men kein Widerspruch dagegen erhoben worden; im Jahre 1546 aber wurde 
Herzog Friedrich mit seinen Söhnen vor König Ferdinand gefordert, um 
sich auf Beschwerde der böhmischen Stände, welche Böhmens Erbrechte auf 
Lieguitz-Brieg-Wohlau durch die Erbverbrüderung verletzt fanden, darüber 
zu verantworten. Nach feierlicher Verhandlung erklärte Ferdinand: die Her¬ 
zöge von Liegnitz seien als Lehensmannen der Krone Böhmen nicht ermächtigt 
gewesen, die Erbverbrüderung einzugehen, da König Ladislaus im Jahre 
1510 den böhmischen Ständen zugesagt, daß alle schlesischen Fürstentümer 
im Fall des Erlöschens ihrer Häuser mit den böhmischen Kronlanden ver¬ 
einigt werden sollten. Es sei daher die Erbverbrüderung von 
Rechtswegen gänzlich nichtig und uukrästig, auch sollten die Her¬ 
zöge die vou ihnen darüber dem brandenburgischeu Hause ausgestellten Ur¬ 
kunden zurückfordern und dem Könige übergeben und ihre Unterthanen von 
der Erbhuldigung für Brandenburg wieder lossprechen. 
Weder der Kurfürst vou Brandenburg, noch Herzog Friedrich erkannten 
diesen Ausspruch als rechtsgültig an. Der Herzog machte geltend, daß jenes 
von König Ladislaus den böhmischen Ständen gegebene Versprechen ohne 
Wissen und Mitwirkung der betheiligteu schlesischen Stände erfolgt sei, daher 
für diese keine rechtsverbindliche Kraft habe; vor Allem aber berief er sich 
darauf, daß seinem Hause durch alte Privilegien und durch eine Begnadigung 
gerade desselben Königs Ladislaus vom Jahre 1511 das Recht zuerkannt 
worden: „daß er seine Städte, Land und Leute mit allen ihren Obrigkeiten, 
Freiheiten uud Einkommen, so viel er der hat, auf dem Todbette oder Testa¬ 
mentsweise, wie er am Besten zu Rathe wird, vergeben, verkaufen, versetzen 
oder verwechseln mag, wem er will und in aller Maas." Dieses Privilegium 
war dem Herzoge im Jahre 1524 von König Ludwig von Böhmen erneuert 
und vom Könige Ferdinand selbst, als er 1529 den Herzögen von Liegnitz 
alle uud jede Privilegien bestätigte, nicht ausgenommen worden. Hierauf 
gestützt, ließ der Kurfürst Joachim von Brandenburg gegeu jenen Ausspruch 
Ferdiuaud's feierlich Protest einlegen, und auch Herzog Friedrich fügte sich 
demselben so wenig, daß er kurz vor seinem Tode (1547) die Erbverbrüde¬ 
rung ausdrücklich bestätigte. 
König Ferdinand von Böhmen aber verweigerte Friedrich's Söhnen die 
Belehnung mit dem liegnitzischen Fürstenthume, wofern sie nicht die Rechts¬ 
gültigkeit seiner Entscheidung anerkennen, die Erbverbrüderung für nichtig 
erklären und die Unterthanen von der Erbhuldigung gegen Brandenburg los¬ 
sprechen wollten. Die jungen Fürsten fügten sich, und seitdem mußten bei 
jeder Erbfolge im liegnitzischen Hause gleiche Erklärungen ausgestellt und der 
Krone Böhmen für den Fall des Abganges des liegnitzischen Hauses gehuldigt 
werden. 
Hahn, preuh. Gesch. 20. Aufl. 17
	        
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