Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

310 Erleichterung der Leibeigenschaft; Justizreform. 
die nichts lernen, sind Ignoranten in allen Ländern. Im Falle aus einem 
Grafen etwas werden soll, so muß er sich auf Titel und Geburt nichts ein¬ 
bilden ; denn dieses sind Narrenspossen; sondern es kommt nur allezeit auf 
sein m6rite personnel an." Wie er über die Pflichten des Adels überhaupt 
dachte, zeigt auch seine poetische Epistel an den Prinzen von Preußen, seinen 
Bruder, wo es heißt: „Alle Menschen sind die Kinder Eines Vaters und 
bilden Eine Familie; und trotz alles Hochmuthes, den Euer Rang Euch giebt, 
sind sie Euch gleich geboren, sie sind von Eurem Blute. Oeffnet stets das 
Herz ihrer Klage uud bedenkt ihr Elend mit Eurem Glücke; wollt Ihr wirklich 
über ihnen stehen, so zeigt Euch menschlicher, sanfter, tugendhafter." 
So sehen wir denn auch den König, ungeachtet der großen Fürsorge für 
die Erhaltung und Unterstützung des Adels, gleichzeitig bemüht, den Zu¬ 
stand der Bauern sehr zu verbessern. Dieselben waren damals noch in einer 
traurigen, gedrückten Lage, zum Theil in Leibeigenschaft, zum Theil in Erb- 
unterthänigkeit der Grundherren uud mit den schwersten Pflichten gegen die¬ 
selben belastet. Friedrich hielt es zwar noch nicht an der Zeit, diese Einrich¬ 
tung ganz abzuschaffen, weil dieselbe, wie er aussprach, auf alten Verträgen 
zwischen den Eigenthümern des Landes und den später herbeigekommenen 
Bewohnern desselben beruhte. Man müßte wenigstens, so meinte er, den 
Adel für den Verlust, den er durch die Abschaffung jenes Zustandes an seinen 
Einkünften erleiden würde, entschädigen. Wenn es aber uuthunlich erschien, 
den Bauer damals schon ganz aus dem Verhältnisse der Erbunterthänigkeit 
zu erlösen, so erließ der König doch zahlreiche Verordnungen, um diesen Zu¬ 
stand zu erleichtern und besonders die mannigfachen Mißhandlungen und 
Ueberbürdungen, denen die Landleute bei den Frohndieusten und dem Vor¬ 
spanne ausgesetzt waren, von ihnen abzuwenden. 
Der Gerechtigkeitspflege widmete Friedrich der Große die gewissen¬ 
hafteste Sorgfalt: er setzte darin eine der ersten Pflichten des Fürsten. „Allen 
Bürgern," so schrieb er, „ihr Eigenthum sichern und sie so glücklich machen, 
als es die Natur des Menschen gestattet, diese Pflicht hat ein Jeder, der das 
Oberhaupt einer Gesellschaft ist, und ich bestrebe mich, diese Pflicht aufs 
Beste zu erfüllen. Wozu nützte es mir auch sonst, den Plato, Aristoteles, die 
Gesetze des Lykurg und Solon gelesen zu haben? Ausübung der guten Lehren 
der Philosophen, das ist wahre Philosophie." Sein Wille war, in der Justiz 
alle Parteigunst zu entfernen, die Prozesse abzukürzen und die Härte vieler 
Strafen zu mildern; da es ihm aber durch einzelne Verordnungen nicht ge¬ 
lingen wollte, die „bisherigen, leider eingerissenen und oft himmelschreienden 
Mißbräuche" von Grund aus zu vertilgen, so schritt er schon im Jahre 1746 
zu einer gänzlichen Justizreform. Der Großkanzler von Cocceji, ein 
ausgezeichneter Mann, welcher schon unter Friedrich Wilhelm I. eine Aen¬ 
derung der Justizverwaltung vorbereitete, diente dem Könige als Hauptwerk¬ 
zeug bei der Ausführung seines wichtigsten Planes, und im Jahre 1748 
konnte unter dem Namen eines Codex Fridericianus der Entwurf einer 
neuen Gerichtsordnung bekannt gemacht werden, deren trefflicher Geist durch 
folgende Stellen genügend bezeichnet wird: „Sie (die Richter) müssen allen 
Menschen ohne Ansehen der Person, Großen und Kleinen, Reichen und Armen 
gleiche und unparteiische Justiz administriren^ sowie sie gedenken, solches vor
	        
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